Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 52. Oswald Gschliesser (Innsbruck): Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung

Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung. 55 der Pillersdorfschen Verfassung konnten Hausdurchsuchungen „nur in den Fällen und in der Form, welche das Gesetz vorausbezeichnet, vorgenommen werden“. Die §§ 2 und 6 des Gesetzes zum Schutz des Hausrechtes wurden nach keinem erkennbaren Vorbild redigiert. Artikel 10 (,,Das Briefgeheimnis darf nicht verletzt und die Beschlagnahme von Briefen außer dem Falle einer gesetzlichen Verhaftung oder Haussuchung nur in Kriegsfällen oder auf Grund eines richterlichen Befehles in Gemäßheit bestehender Gesetze vorgenommen werden“) x) enthält im ersten Teile dasselbe, was der erste Satz des § 20 der Pillersdorfschen Verfassung und der erste Satz des titre 22 der belgischen Verfassung festsetzten, und lehnt sich im übrigen einigermaßen an § 8 des Kremsierer Entwurfes (,,Das Briefgeheimnis darf nicht verletzt und die Beschlagnahme von Briefen nur auf Grund eines richterlichen Befehles und nach den Bestimmungen des Gesetzes vorgenommen werden“) und noch mehr an § 11 des kaiserlichen Patentes vom 4. März 1849 (,,Das Briefgeheimnis darf nicht verletzt und die Beschlagnahme von Briefen nur in Kriegsfällen oder auf Grund eines richterlichen Befehles vorgenommen werden“) an. Der Minderheit des Kremsierer Verfassungsausschusses stand bei ihrem Antrag zu § 8 (,,Das Briefgeheimnis ist unverletzlich. Die bei straf gerichtlicher Untersuchung und bei Kriegsfällen notwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. Das Gesetz bezeichnet die Beamten, welche für die Verletzung des Geheimnisses der der Post anver­trauten Briefe verantwortlich sind“), was den zweiten Satz anlangt, § 12 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes (,,Die bei straf gerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen notwendigen Beschränkungen sind durch das Gesetz festzustellen“), und was den ersten und dritten Satz betrifft, titre 22 der belgischen Verfassung vor Augen. Artikel 11 Abs. 1 („Das Petitionsrecht steht jedermann zu“) stimmt wörtlich überein mit dem ersten Satz des § 6 des kaiserlichen Patentes vom 4. März 1849. Die im Artikel 11 Abs. 2 enthaltene Bestimmung („Petitionen unter einem Gesamtnamen dürfen nur von gesetz­lich anerkannten Körperschaften oder Vereinen ausgehen“) geht in ihrer Formulierung auf den zweiten Satz des zitierten § 6 des kaiserlichen Patentes vom 4. März 1849 („Petitionen unter einem Gesamtnamen dürfen nur von Behörden und gesetzlich anerkannten Körperschaften ausgehen“) und dieser wohl auf den Zusatzantrag der Minderheit des Kremsierer Verfassungs­ausschusses zu § 9 („Petitionen unter einem Gesamtnamen sind nur Behörden und Körper­schaften gestattet“) zurück. Dem Petitionsrecht selbst hat der Entwurf des Kremsierer Verfassungsausschusses im § 9 die Fassung gegeben: „Das Recht der Petition und der Sammlung von Unterschriften auf Petitionen ist unbeschränkt.“ Artikel 12 („Die österreichischen Staatsbürger haben das Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden. Die Ausübung dieser Rechte wird durch besondere Gesetze geregelt“) ist dem § 7 des kaiserlichen Patentes vom 4. März 1849 („Die österreichischen Staatsbürger haben das Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden, insofern Zweck, Mittel oder Art und Weise der V er Sammlung oder Vereinigung weder rechtswidrig noch staatsgefährlich sind. Die Ausübungen dieses Rechtes sowie die Bedingungen, unter welchen Gesellschaftsrechte erworben, ausgeübt oder verloren werden, bestimmt das Gesetz“) nachgebildet, nur ist im kaiserlichen Patent das Vereins- und Versammlungsrecht an gewisse Voraussetzungen ausdrücklich gebunden worden. Das Vereinsbildungsrecht war im § 22 der Verfassung vom 25. April 1848 in ähnlicher Weise wie im Staatsgrundgesetz von 1867 normiert. Der Kremsierer Entwurf hatte das Versammlungsrecht im § 11 („Die österreichischen Staatsbürger haben das Recht sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln ; jedoch sind Volksversammlungen unter freiem Himmel vorläufig der Sicherheitsbehörde anzuzeigen, dürfen aber nur in Fällen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit untersagt werden“) und das Vereinsbildungs­recht im § 12 („Die österreichischen Staatsbürger haben das Recht, ohne alle behördliche x) Der Antrag des Herrenhauses, statt „nur in Kriegsfällen“ zu setzen: „nur im Falle einer Kriegs­gefahr, innerer Unruhe oder ...“ wurde vom Abgeordnetenhaus in der Sitzung vom 7. Dezember 1867 abgelehnt (Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses, IV. Session, 2. Bd., S. 1599 ff.).

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