Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 52. Oswald Gschliesser (Innsbruck): Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung
54 Gschliesser, der Betretung auf der Tat ausgenommen. Der Verhaftungsbefehl muß dem Verhafteten sogleich oder spätestens 24 Stunden nach der Verhaftung zugestellt werden") und wie § 8 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes („Die Verhaftung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer Tat, nur geschehen in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls. Dieser Befehl muß im Augenblick der Verhaftung oder innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Verhafteten zugestellt werden"). Auch auf den oben zitierten §18 der Pillersdorfschen Verfassung wäre hinzuweisen. Der Archetyp ist auch hier die belgische Verfassung mit ihrem gleichfalls oben zitierten titre 7. Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit („Die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt dürfen zwar in den vom Gesetz bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen, sie müssen aber jeden, den sie in Verwahrung genommen haben, innerhalb der nächsten 48 Stunden entweder freilassen oder an die zuständige Behörde abliefern") deckt sich inhaltlich so ziemlich mit § 9 des kaiserlichen Patentes vom 4. März 1849 und weicht von der analogen Bestimmung des § 4 Abs. 4 des Kremsierer Entwurfes nur insofern ab, als dieser ebenso wie § 8 Abs. 3 des Gesetzes, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes, eine Frist von nur 24 Stunden für die Auslieferung an das ordentliche Gericht, bzw. für die Freilassung vorsah. Die übrigen Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit sind Neuschöpfungen, bloß § 7, der Aufhebung der wegen Fluchtgefahr verhängten Verwahrungs- und Untersuchungshaft gegen Kaution oder Bürgschaft vorsieht, ist vom § 4 Abs. 5 des Kremsierer Entwurfes, bzw. § 8 Abs. 4 des Gesetzes, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes, einigermaßen beeinflußt. Im übrigen enthielten schon die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika von 1787 und die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von Frankreich von 1789 Bestimmungen zum Schutz gegen willkürliche Verhaftung und Anhaltung. Die im Artikel 8 Abs. 3 („Jede gesetzwidrige verfügte oder verlängerte Verhaftung verpflichtet den Staat zum Schadenersatz an den Verletzten") x) ausgesprochene Schadenersatzpflicht des Staates hatte auch § 8 Abs. 5 des Gesetzes, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes, festgelegt („Im Falle einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist der Schuldige und nötigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugtuung und Entschädigung verpflichtet"). Der Artikel 9 Abs. 1 („Das Hausrecht ist unverletzlich") erweist sich als wörtliche Übersetzung des ersten Satzes des titre 10 der belgischen Verfassung und stand mit denselben Worten auch in § 10 des kaiserlichen Patentes vom 4. März 1948 und im § 7 des Kremsierer Entwurfes. Das im Artikel 9 Abs. 2 zum Bestandteil des Staatsgrundgesetzes erklärte Gesetz vom 27. Oktober 1862, RGBl. Nr. 88, zum Schutz des Hausrechtes, bestimmt im § 1, daß eine Hausdurchsuchung in der Regel nur Kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehls unternommen werden dürfe und daß dieser Befehl den Beteiligten sogleich oder doch innerhalb der nächsten 24 Stunden zuzustellen sei. Diese Bestimmung lehnt sich weitgehend an § 10 des Gesetzes, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes an („Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Hausdurchsuchung ist nur zulässig : 1. In Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls, welcher sofort oder innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Beteiligten zugestellt werden soll . . ."). Der § 10 zweiter Satz des kaiserlichen Patentes vom 4. März 1849 erklärte in Anlehnung an § 7 Abs. 1 zweiter Satz des Kremsierer Entwurfes („Eine Durchsuchung der Wohnung und der Papiere oder eine Beschlagnahme der letzteren ist nur über richterliche V er Ordnung in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen zulässig") eine Durchsuchung der Wohnung und der Papiere oder eine Beschlagnahme der letzteren nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen für zulässig. Nach § 18 *) *) Die vom Abgeordnetenhaus noch beigesetzten Worte: „bis zur vollen Genugtuung“ hat das Herrenhaus gestrichen (Stenographische Protokolle des Herrenhauses, IV. Session, 1. Bd., S. 282).