Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 52. Oswald Gschliesser (Innsbruck): Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung

Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung. 53 des Staates stellenden und die Voraussetzungen für eine Enteignung regelnden Bestim­mungen des § 29 der Märzverfassung und des § 22 des Kremsierer Entwurfes. Wohl aber kommt der Satz „Das Eigentum ist unverletzlich“ im § 32 des Gesetzes, betreffend die Grund­rechte des deutschen Volkes, vor; Artikel 5 erinnert übrigens in seiner Fassung an die oben angeführte Bestimmung der belgischen Verfassung über die Unverletzlichkeit des Hausrechtes. Bei Artikel 6 Abs. 1 („Jeder Staatsbürger kann an jedem Ort des Staatsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz nehmen, Liegenschaften aller Art erwerben und über dieselben frei verfügen sowie unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig ausüben“) ist unverkenn­bar die Verwandtschaft mit § 3 des Gesetzes über die Grundrechte des deutschen Volkes („Jeder Deutsche hat das Recht, an jedem Orte des Reichsgebietes seinen Aufenthalt und Wohn­sitz zu nehmen, Liegenschaften jeder Art zu erwerben und darüber zu verfügen, jeden Nahrungs­zweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu gewinnen“). Artikel 6 Abs. 2 („Für die tote Hand sind Beschränkungen des Rechtes, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen im Wege des Gesetzes aus Gründen des öffentlichen Wohles zulässig“) ist wörtlich aus § 33 dieses von der Frankfurter Nationalversammlung beschlossenen Gesetzes übernommen. Artikel 7 („Jeder Untertänigkeits- und Hörigkeitsverband ist für immer aufgehoben. Jede aus dem Titel des geteilten Eigentums auf Liegenschaften haftende Schuldigkeit oder Leistung ist ablösbar, und es darf in Zukunft keine Liegenschaft mit einer derartigen unablösbaren Leistung belastet werden“) ist eine fast wörtliche Zusammenfassung des § 26 Abs. 1 der Märzverfassung („Jede Art von Leibeigenschaft, jeder Untertänigkeits- oder Hörigkeitsverband ist für immer aufgehoben“) und des § 32 dieser Verfassung („Jede aus dem Untertänigkeits­oder Hörigkeitsverbande oder aus dem Titel des geteilten Eigentums auf Liegenschaften haftende Schuldigkeit oder Leistung ist ablösbar und es darf für die Zukunft bei Teilung des Eigentums keine Liegenschaft mit einer unablösbaren Leistung belastet werden“). Ähnlich hatte das Gesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes, im § 34 bestimmt: „Jeder Unter­tänigkeits- und Hörigkeitsverband hört für immer auf“ und in § 36 angeordnet: „Alle auf Grund und Boden lastenden Abgaben und Leistungen, insbesondere die Zehenten, sind ablösbar. ... Es soll fortan kein Grundstück mit einer unablösbaren Abgabe oder Leistung belastet werden“. Artikel 8 Abs. 1 („Die Freiheit der Person ist gewährleistet“) hat diesen Grundsatz aus § 8 des kaiserlichen Patentes vom 4. März 1849 übernommen; er begegnet uns mit denselben Worten auch im § 4 des Kremsierer Entwurfes und in § 17 der Pillersdorfschen Verfassung, die ihn aus titre 7 der belgischen Verfassung entlehnt hat. Das im Artikel 8 Abs. 2 zum Bestandteil des Staatsgrundgesetzes erklärte Gesetz vom 27. Oktober 1862, RGBl. Nr. 87, zum Schutz der persönlichen Freiheit, enthält in § 1 die Bestimmung, daß niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Sie stammt wörtlich aus § 4 des Kremsierer Entwurfes, findet sich aber in fast gleicher Formulierung auch im § 42 des Gesetzes, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes, im § 25 der Pillersdorfschen Verfassung und im titre 8 der belgischen Verfassung, auf welche Bestimmung die späteren Verfassungen somit zurückgegriffen haben. § 2 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit („Die Verhaftung einer Person darf nur kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehles erfolgen. Dieser Befehl muß sogleich bei der Verhaftung oder noch innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Verhafteten zugestellt werden“) besagt, abgesehen davon, daß er den Ausnahmefall der Ergreifung auf frischer Tat nicht kennt, im wesentlichen dasselbe wie § 8, 2. und 3. Satz des kaiserlichen Patentes vom 4. März 1849 („Die Verhaftung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer Tat, nur in Kraft eines mit Gründen versehenen Befehles geschehen, welcher von den Richtern oder von einer richterliche Funktionen gesetzlich ausübenden Behörde ergangen ist. Jeder solche Verhaftungsbefehl ist dem Verhafteten sogleich bei seiner Anhaltung oder spätestens 24 Stunden nach derselben zuzustellen“), wie § 4 Abs. 2 und 3 des Kremsierer Verfassungsentwurfes („Niemand darf verhaftet werden, außer kraft eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehles, den Fall

Next

/
Thumbnails
Contents