Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 52. Oswald Gschliesser (Innsbruck): Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung
52 Oschliesser, sind vor dem Gesetze gleich“), im § 3 des Kremsierer Entwurfes („Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich“) und im titre 6 der belgischen Verfassung (,,Les Beiges sont égaux devant la loi“). Der entsprechende § 25 der Pillersdorfschen Verfassung hatte eine etwas andere und weitere Fassung gehabt („Die Wirksamkeit des Gesetzes ist gleich für alle Staatsbürger, sie genießen einen gleichen persönlichen Gerichtsstand, unterliegen der gleichen Wehr- und Steuer - pflicht‘ ‘). Der zu § 3 des Kremsierer Verfassungsentwurfes vom Kremsierer Reichstag beschlossene Satz „Alle Standesvorrechte sind abgeschafft“ findet sich mit denselben Worten im § 7 des von der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt a.M. beschlossenen Gesetzes, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes. Der im Artikel 3 ausgesprochene Grundsatz („Die öffentlichen Ämter sind für alle Staatsbürger gleich zugänglich“), den ebenso wie den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz bereits die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 gekannt hat, ist sehr ähnlich formuliert wie in dem ihm entsprechenden § 28 der Märzverfassung („Die öffentlichen Ämter und Staatsdienste sind für alle zu denselben Befähigten gleich zugänglich“), wie im § 3 Abs. 2 des Kremsierer Entwurfes („Die öffentlichen Ämter und Staatsdienste sind für alle dazu befähigten Staatsbürger gleich zugänglich“) und im § 7 Abs. 6 des von der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt beschlossenen Gesetzes, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes („Die öffentlichen Ämter sind für alle Befähigten gleich zugänglich“). Artikel 3 Abs. 2 („Für Ausländer wird der Eintritt in dieselben von der Erwerbung der österreichischen Staatsbürgerschaft abhängig gemacht“) gibt, wenn auch mit anderen Worten, im wesentlichen den im titre 6 der belgischen Verfassung („seuls les Beiges sont admissibles aus emplois civils et militaires, sauf les exceptions qui peuvent étre établies par une loi pour des cas particuliers“) niedergelegten Gedanken wieder. Der Kremsierer Entwurf hatte im § 3 Abs. 2 folgende Formulierung dafür gehabt: ,,Ausländer sind vom Eintritt in Zivildienste und in die Volkswehr ausgeschlossen“. Artikel 4 Abs. 1 („Die Freizügigkeit der Person und des Vermögens innerhalb des Staatsgebietes unterliegt keiner Beschränkung“) faßt zusammen, was die März Verfassung im ersten Satz des § 25 („Die Freizügigkeit der Person innerhalb der Reichsgrenzen unterliegt keiner Beschränkung“) und im ersten Satz des § 31 („Die Freizügigkeit des Vermögens innerhalb der Reichsgrenzen unterliegt keiner Beschränkung“) ausgesprochen hat. Für Artikel 4 Abs. 2 („Allen Staatsbürgern, welche in einer Gemeinde wohnen und daselbst von ihrem Realbesitze, Erwerbe oder Einkommen Steuer entrichten, gebührt das aktive und passive Wahlrecht zur Gemeindevertretung unter denselben Bedingungen, wie den Gemeindeangehörigen“) x) existiert kein Vorbild in einer anderen Verfassung. Artikel 4 Abs. 3 („Die Freiheit der Auswanderung ist von Staats wegen nur durch die Wehrpflicht beschränkt“) ist wörtlich aus § 25 der Märzverfassung, und Artikel 4 Abs. 4 („Abfahrtsgelder dürfen nur in Anwendung der Reziprozität erhoben werden“) nahezu wörtlich aus § 31 der Märzverfassung („Abfahrtsgelder von den in das Ausland abziehenden Vermögenschaf ten dürfen nur in Anwendung der Reziprozität erhoben werden“) übernommen worden. Der Kremsierer Entwurf hatte im § 10 Schlußsatz Abfahrtsgelder zu fordern schlechthin untersagt. Auch § 6 des Gesetzes betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes („Die Auswanderungsfreiheit ist von Staats wegen nicht beschränkt; Abfahrtsgelder dürfen nicht erhoben werden“) kannte keine Einschränkungen dieses Grundrechtes. Artikel 5 des Staatsgrundgesetzes („Das Eigentum ist unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt“) weicht in seiner Fassung ab von dem das Eigentum unter den Schutz *) *) Über die zu dieser Bestimmung im Abgeordneten- und im Herrenhause abgeführten Debatten siehe Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses, IV. Session, 1. Bd., S. 801 ff., und Stenographische Protokolle des Herrenhauses, IV. Session, S. 269 ff. sowie Kolmer G., a. a. O., S. 290 f. Über Antrag des Herrenhauses wurde statt ,,... Wahlrecht zur Gemeinde- und Landtagsvertretung“ nur „Wahlrecht zur Gemeindevertretung“ gesetzt.