Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 52. Oswald Gschliesser (Innsbruck): Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung

Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung. 49 Die belgische Verfassung von 1831 hat aber, wie sich aus dem Nachfolgenden ergeben wird, mittelbar auch über die Entwürfe der Grundrechte, wie sie vom Verfassungsausschuß der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt und von jenem des Reichstages von Kremsier, bzw. von diesen Vertretungskörpern selbst beschlossen worden sind, sowie über die oktroyierte Reichsverfassung vom 4. März 1849, die sogenannte März Verfassung, und das gleichzeitig erlassene kaiserliche Patent über die politischen Rechte auf das im wesent­lichen noch heute geltende Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger eingewirkt. Bei den Beratungen des Verfassungsausschusses des Wiener, bzw. Kremsierer Reichs­tages über die Grundrechte, die mit einer längeren, durch die Wiener Oktober­revolution bedingten Unterbrechung, vom 22. August bis 19. Dezember 1848 dauerten, scheint allerdings auf das belgische Vorbild nie und auf den Entwurf des Verfassungsausschusses der Frankfurter Nationalversammlung über die Grundrechte *) nur ganz vereinzelt, so in der Sitzung vom 15. Dezember bei Beratung über die Bestimmungen zum Schutz des Hausrechtes * 2) und am 16. Dezember bei jener über die Unentgeltlichkeit des Unterrichtes 3), hingewiesen worden zu sein. Der Gang der Beratung über die Grundrechte in jenen Aus­schüssen kann im übrigen hier nicht des näheren dargelegt werden 4). Der Ministerrat beschloß hierauf in seiner Sitzung vom 2. Jänner 1849, zum Entwurf des Verfassungs­ausschusses, der schon gleich durch den Anfang des § 1: „Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus“ das höchste Mißfallen der Regierung erregte, einen von dieser erstellten Abände­rungsvorschlag im Reichstag einzubringen 5). Über diesen Gegenentwurf beriet der Minister­rat dann im Februar 1849, wobei sich eine längere Debatte nur zur Frage der Gleichberechti­gung aller Konfessionen ergab 6). Die im wesentlichen vom Minister des Inneren Franz Graf Stadion redigierte 7), unter dem Datum vom 4. März 1849 oktroyierte Reichsverfassung und das gleichzeitig verlautbarte kaiserliche Patent über die durch die konstitutionelle Das Gesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes, vom 27. Dezember 1848 ist zwar erst im deutschen Reichsgesetzblatt vom 28. Dezember 1848 veröffentlicht worden, der Vorentwurf hiezu war aber schon am 19. Juni 1848 vom Verfassungsausschuß der deutschen Nationalversammlung in Frank­furt als Grundrechte des deutschen Volkes angenommen worden, bald darauf in Druck erschienen und in der österreichischen Presse erörtert worden (vgl. Anschütz G. und Thoma R., Handbuch des deutschen Staatsrechtes, I., Tübingen 1930, S. 37 f.; Bothe für Tirol und Vorarlberg Nr. 83 vom 10. Juli 1848, a. o. Beilage). 2) Fischei Adolf, Die Protokolle des Verfassungsausschusses über die Grundrechte, Wien, 1912, S. 106. 3) Ebenda, S. 132. 4) Bezüglich der Beratungen des Verfassungsausschusses des Wiener, bzw. Kremsierer Reichstages und der Behandlung des von ihm beschlossenen Entwurfes über die Grundrechte im Plenum des Reichs­tages, der die erste Lesung am 21. Dezember 1848 vomahm und am 4. Jänner 1849 in die zweite Lesung des mehrmals und mehrfach geänderten Entwurfes eintrat, diese aber bis zur Auflösung des Reichstages am 7. März 1849 nicht vollenden konnte, sei auf das vorzitierte Werk von Fischei Adolf, auf den Aufsatz „Die Kremsierer Grundrechte“ in Hugelmann Karl, Historisch-politische Studien, Wien 1915, S. 384 ff., und auf Helfert Jos. Alex. Freiherr v., Geschichte Österreichs vom Ausgange des Wiener Oktober-Auf­standes 1848, Bd. IV/2, Prag-Leipzig 1886, S. 8 ff. und S.67 ff., endlich auf die „Verhandlungen des öster­reichischen Reichstages nach der stenographischen Aufnahme“, 5 Bde., Wien 1848/49 verwiesen. Bezüglich der Beratungen des Verfassungsausschusses der deutschen Nationalversammlung in Frank­furt, siehe „Die Verhandlungen des Verfassungsausschusses der deutschen Nationalversammlung“, hrsg. von Droysen, 1. Teil, Leipzig 1849, ferner „Aktenstücke und Aufzeichnungen zur Geschichte der Frank­furter National ver sammlimg aus dem Nachlaß von J. G. Droysen“, hrsg. von R. Hübner, Berlin und Leipzig 1924, sowie „Verhandlungen der deutschen konstituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt a. M.“‘ hrsg. von F. Wigard, Leipzig, 1848/49. 5) Ministerratsprotokolle 1849 im Wiener Staatsarchiv (Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv); Helfert, a. a. O., S. 16 f. ®) Ministerratsprotokolle 1849, auszugsweise wiedergegeben bei Schiitter Hans, Versäumte Gelegen­heiten, Die Oktroyierte Verfassung vom 4. März 1848, Zürich-Leipzig-Wien 1910, S. 24 ff. 7) Friedjung H., Österreich von 1848 bis 1860, 2. Aufl.,I.Bd. Stuttgart und Berlin, 1908, S. 159. 4 Festschrift, II. Band.

Next

/
Thumbnails
Contents