Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 52. Oswald Gschliesser (Innsbruck): Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung
Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung. 45 Schon in der sogenannten Pillersdorfschen Verfassung für Österreich vom 25. April 1948 trug der III. Abschnitt die Überschrift: „Staatsbürgerliche und politische Rechte der Staatseinwohner“. Auf dem Wiener, bzw. auf dem Kremsierer Reichstag von 1848/49 beschäftigte man sich ebenso wie in der gleichzeitig tagenden deutschen Nationalversammlung in Frankfurt eingehend mit einem Gesetz über die Grundrechte, da wie dort wurde in eigenen Ausschüssen über diese Materie monatelang beraten. Viel von den Ergebnissen dieser Beratungen ist dann in die oktroyierte „ReichsVerfassung für das Kaisertum Österreich“ vom 4. März 1849 und in das gleichzeitig erlassene kaiserliche Patent, RGBl. Nr. 151, über die durch die konstitutionelle Staatsform gewährleisteten politischen Rechte übergegangen, und die Arbeit aller dieser Gesetzgeber haben sich dann jene des Jahres 1867 in weitgehendem Maße zunutze gemacht. Wie das angeführte Staatsgrundgesetz von 1867 auf seinen erwähnten Vorgängern und auf der belgischen Verfassung von 1831 beruht, das darzulegen soll vor allem der Zweck dieser Abhandlung sein. Das kaiserliche Patent vom 15. März 1848 hat eine „Konstitution des Vaterlandes“ in Aussicht gestellt. Dem wenig klaren Wortlaut der kaiserlichen Erklärung konnte man entnehmen, daß die angekündigte Verfassung unter Mitwirkung der Abgeordneten aller Provinzialstände zustande kommen sollte. Aber im Schoß des neuen Ministerrates setzte sich noch im Laufe des März die Anschauung durch, daß die kommende Verfassung im Wege eines Oktroy ins Leben zu treten habe J). Für diese Entscheidung war nicht zuletzt der Umstand von maßgeblicher Bedeutung, daß seitens der Provinzialstände wenig Initiative zur Bildung einer verfassunggebenden Versammlung bekundet wurde. In der Sitzung des neugebildeten Ministerrates vom 12. April warf der Minister des Innern, Freiherr von Piliersdorf selbst die grundsätzliche Frage auf, ob bei der Ausarbeitung der Verfassung die von den einzelnen Provinzialständen nach Wien entsandten Abgeordneten mitwirken sollen oder ob die Verfassung als Oktroy (Charte) zu erlassen sei. Piliersdorf sprach sich für den zweiten Weg unter der Voraussetzung aus, daß das Oktroy möglichst weitgehend die öffentliche Meinung und die Anschauungen der „kompetenten Autoritäten“ berücksichtige und daß in die Verfassung ein genügendes Ausmaß von „bürgerlichen Freiheiten und Garantien“ aufgenommen werde; die in Wien anwesenden Vertreter der Provinzialstände könnten vertraulich zu Rate gezogen werden. Der Vorschlag des Ministers des Innern fand den Beifall seiner Kollegen. Es waren dies der Minister des Äußeren Graf v. Ficquelmont, der Minister für Justiz Graf Taaffe, der Minister für öffentlichen Unterricht Freiherr v. Somaruga, der Minister für Finanzen Freiherr v. Krauß und der Minister für Kriegswesen Feldmarschalleutnant Zanini. Besprechungen, die Freiherr v. Piliersdorf am 13. April mit den in Wien weilenden ständischen Abgeordneten, unter welchen allerdings die der beiden größten Länder, nämlich Böhmens und Galiziens, fehlten, gepflogen hat, ergaben Übereinstimmung darüber, daß der Kaiser das Verfassungsoktroy so schnell als möglich erlassen solle 2). Der Ministerkonferenz vom 12. April und den Besprechungen mit den provinzialständischen Abgeordneten, vor allem mit dem vom niederösterreichischen Ständepräsidium einberufenen ständischen Zentralausschuß lagen bereits „Grundlinien“ über die zukünftige Verfassung vor. Wer sie ausgearbeitet hat, ob Piliersdorf selbst oder einer seiner Hilfskräfte, läßt sich den Akten nicht entnehmen. Die Grundlinien sahen folgende Staatsbürgerrechte vor: „Sicherstellung der persönlichen Freiheit gegen Verhaftung und Hausdurchsuchung, Freiheit des Glaubens, der Rede und Presse, Petitionsrecht, legales Versammlungsrecht, Auswanderungsrecht, Wahl des Aufenthaltes, Zulassung zum Grundbesitz, zu allen gestatteten x) Zum folgenden siehe Ministerratsprotokolle MR. 473/1848 im Österr. Staatsarchiv in Wien (Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv). 2) Daß die Regierung von den Ständen selbst geradezu auf die Bahn der Oktroyierung gedrängt wurde, hat Hugelmann K. in seinem Aufsatz „Die Entwicklung der Aprilverfassung von 1848“, Jahrbuch des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich, 1918, S. 237, betont.