Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 52. Oswald Gschliesser (Innsbruck): Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung

44 Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung. Von Oswald Gschliefjer (Innsbruck). Während seit drei Jahren eine von der Vollversammlung der UNO am 10. Dezember 1948 in Paris beschlossene Deklaration vorliegt, welche den Bewohnern aller Staaten der Erde die grundlegenden Menschenrechte garantieren soll, kann Österreich darauf hinweisen, daß es schon seit über einem Jahrhundert verfassungsgesetzlich verankerte Menschen-, Freiheits- oder Grundrechte, diesen wesensnotwendigen Bestandteil jeder echten demo­kratischen Staatsform, kennt. Zufolge des Artikels 149 des im Mai 1945 wieder in Kraft gesetzten österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes vom 1. Oktober 1920 hat auch das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, mit Ausnahme des letzten Artikels dieses Staatsgrundgesetzes, der die Zulässigkeit der Suspension eines Teiles der aufgezählten Rechte vorsah, als Verfassungsgesetz zu gelten. Die Grundrechte erscheinen somit auch heute noch im wesentlichen durch jenes Staatsgrundgesetz von 1867 geregelt, das als einziges von den sechs Gesetzen, welche die Dezemberverfassung des Jahres 1867 bildeten, den Unter­gang der Monarchie überdauert hat. Die wenigen Grundrechte gewährleistenden Bestim­mungen des Bundes-Verfassungsgesetzes * 2) und des Abschnittes V, Teil III, des Staats­vertrages von Sidnt Germain können hier außer Betracht bleiben 2). Wie im folgenden gezeigt werden wird, reichen die meisten Bestimmungen des Staats­grundgesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, in das an staatsrechtlichen Neuerungen ja so reiche Revolutionsjahr 1848 zurück, wofern einzelne von ihnen nicht gar auf die belgische Verfassung von 1831 zurück­gehen. Dagegen haben weder die Redaktoren von 1848 noch die von 1867, so sehr ins­besondere die ersteren von den Ideen der französischen Revolution von 1789 be­einflußt sein mochten, bei der Fixierung der Grundrechte sich merklich an die in allgemeinen Sätzen gehaltene ,,déclaration des droits de l’homme et du citoyen“ der verfassunggebenden französischen Nationalversammlung vom 27. August 1789, welche Erklärung dann der französischen Verfassung von 1791 3) einverleibt wurde, als Vorbild gehalten 4). *) Artikel 4, 6, 7, 8 und 83. 2) Zur Systematik der Grund- und Freiheitsrechte in der österreichischen Verfassung siehe Adamovich Ludwig, Grundriß des österreichischen Verfassungsrechtes, 4. Auf!., Wien 1947, S. 334 ff., und die dort angegebene Literatur; ferner aus älterer Zeit Przibram Ludwig R. v., Des Österreichers Grundrechte und Verfassung, ein Büchlein fürs Volk, Wien 1868, und aus jüngster Zeit Renner Karl, Die Menschenrechte. Zwei Vorträge. Danubia-Verlag 1948. 3) Lebon André, Das Verfassungsrecht der französischen Republik, erschienen in der Slg. „Das öffentliche Recht der Gegenwart“, Bd. VI, Tübingen 1909. 4) Über das Verhältnis dieser Deklaration zu der des nordamerikanischen Staates Virginia von 1776 siehe Jelűnek Georg, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, München und Leipzig 1919, und aus jüngerer Zeit Ihde Wilh., Wegscheide 1789, 3. Auf!., Leipzig-Berlin 1941, S. 271 ff. Über das Natur­recht und die Menschenrechte siehe den unter diesem Titel erschienen Aufsatz von Planitz H. in den „Juristischen Blättern“, 1948, S. 111—114.

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