Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 51. Karl Bednar (Wien): Zur mittelalterlichen Besiedlungs- und Grundbesitzgeschichte der Schneeberggegend
42 Bednar, Geburt des älteren Rapoto (III.) mag demnach um 1025 bis 1030 erfolgt sein; die Heirat hingegen der Eltern desselben, des Dietpald I. und der Willa der Jüngeren, wird somit um 1025 bis 1028 angenommen werden müssen. Die Bestiftung des Heiratsgutes der Willa mit neuen Hofsiedlungen mag also wohl rund um 1025 bis 1030 angesetzt werden dürfen; wir kommen damit gerade in jene Zeit, da die Neukolonisation des Viertels unter dem Wienerwald im vollen Gange gewesen war (seit etwa der großen Landschenkung von 1002 an den babenbergischen Markgrafen Heinrich I.), insbesonders aber seit 1018 unter dessen jüngeren Bruder und Nachfolger Adalbert1); wohl waren die östlichsten Ausläufer dieser Besiedlungsaktion „Freundschafts halber“ (amiciciae causa, wie sich die Jahrbücher des Klosters Niederaltaich ausdrücken), damals (d. h. wohl noch unter Kaiser Heinrich II., f 1024) 2) wiederum an Ungarn abgetreten worden, doch war nach dem Friedensschluß mit Ungarn vom Jahre 1031 die Besiedlung neuerlich stärkstens in Angriff genommen worden (vgl. die große Landschenkung von 1035 an den Markgrafen Adalbert) 3). Aus der Zugehörigkeit der wahrscheinlichen Begründerin der Ansiedlung Willendorf am Frauenbach zur Familie der chiemgauischen Sigeharde ist zu ersehen, daß dieses Grundherrngeschlecht auch hier am Steinfeld über Kolonisationsland verfügen konnte, wie es auch sonst an der Neubesiedlung des Ostens der Mark Ostarrichi in führender Weise beteiligt war4). Weil nun gemäß der obigen Darlegung Graf Sigehard XI. (= Sizo von Chiemgau, f 1046) den Grund und Boden für das spätere Willendorf um 1025 seiner Tochter (Willa) als Heiratsgut geben konnte, so wird man daraus auch schließen müssen, daß wohl er es selber gewesen sei, dem durch Königsschenkung unbesiedeltes Kolonialland dortselbst verliehen worden war; denn eine solche Landschenkung in der Zeit nicht allzu lange vor 1025 würde vollständig in den Rahmen dessen passen, was sich besiedlungsgeschichtlich aus den zwei Schenkungsurkunden von 1002 und 1020 ergibt, die leider als die einzigen aus dem ersten Viertel des 11. Jahrhunderts uns erhalten geblieben sind; denn eine Landschenkung bereits an dessen Vater Engelbert (II.), welcher ja zum letztenmal im Jahre 976 bezeugt ist, würde doch ziemliche Jahre vor 1002 fallen, was gegenüber der Widmung an den Markgrafen im letztgenannten Jahre äußerst unwahrscheinlich wäre. So war es also durch die obige Untersuchung möglich geworden, den Verlust der bezüglichen königlichen Schenkungsurkunde an Sigehart XI. wenigstens teilweise wiederum gutzumachen, u. zw. durch Verwertung des Ortsnamens, der Rufnamen Vererbung, der Verwandtschafts Verhältnisse und der parallelen Besitzabfolge anderwärts als indirekter Quellen; an der Hand der hier erarbeiteten neuen Erkenntnisse zur Besiedlungs- und Grund- besitzgeschicbte jener Gegend ergibt sich somit die Möglichkeit, ein ausgeprägteres Bild sich zu machen von der geschichtlichen Gesamtsituation und den Machtfaktoren in den östlichen Grenzgegenden der jungen Markgrafschaft gegen Ende des 1. Jahrhunderts ihres Bestandes. Gleichzeitig ergaben sich mit dem Beweisgang auch eine Anzahl neuer Feststellungen zur Ahnenkunde und sonstigen Familiengeschichte der Schwarzenburger, Traisener, Külber, Rapotonen, Formbacher, der Salzburggau-Grafen und des Chiemgauer Zweiges der letzteren. Freilich würden die vorgelegten Ergebnisse zur Besitzgeschichte Willendorfs am Steinfeld noch weitere Ausblicke ermöglichen für eine umfassendere Erforschung von Zusammenhängen mit den Gegenden um Wien und Bruck an der Leitha, was aber der Verfasser einem späteren Zeitpunkt Vorbehalten muß. Voraussetzung für diese vorliegende Arbeit zur Besiedlungsgeschichte Niederösterreichs im frühen Hochmittelalter, wie überhaupt für die meisten schon bisher durchgeführten Untersuchungen auf diesem Forschungsgebiet, aber auch für jene welche noch in künftigen Tagen folgen werden, ist freilich die überaus beklagenswerte Tatsache, daß sich aus dem 11. Jahrhundert, x) K. Bednar, Unsere Heimat 1936, S. 221. 2) K. Bednar, a. a. O., S. 222. 3) K. Bednar, a. a. O., S. 223 (nach A. v. Mailler, Babenberger-Regesten, S. 5). 4) Mitscha-Märheim, Monatsbl. usw., S. 136 und 138 f.