Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 50. Hermann Balti (Graz): Beiträge zur Geschichte der steirischen und österreichischen Strafrechtskodifikationen im 15. und 16. Jahrhundert
Geschichte der steirischen und österreichischen Strafrechtskodifilcationen im 15. und 16. Jahrhundert. 33 gefordert, die Hoftaidinge, das Landrecht und die Gerichtsverwaltung nach Landesgebrauch zu führen und Mißstände nach Notwendigkeit abzustellen und zu bessern; das könnte sich auch auf die Vorbereitung von Kodifikationen beziehen. So ergibt sich ein umfangreiches Bild kodifikatorischer Bestrebungen schon lange vor der Carolina. Auch in Innerösterreich hatte die Landschaft um die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert begonnen, sich mit der Gesetzgebung zu befassen. Lus chin erwähnte hier zunächst die „Ordnung und Artikel eines gemeinen Nutzens willen von einer ersamen Landschaft in Kärnten“ von 1491/1492 und dann die Landrechtsordnung für Steiermark von 1503 x), die nach einigen Veränderungen 1533 offiziell verkündet wurde. So ist für das Gebiet des Zivilprozesses eine Ordnung schon längere Zeit vor ihrer ersten authentischen Ausgabe vorhanden gewesen. Über die Entwicklung auf dem Gebiet der Strafgesetzgebung in Steiermark während dieser Zeit liegen nur spärliche Hinweise vor, die insbesondere für die Zeit, da in Österreich unter der Enns die Landgerichtsordnung beraten und in Kraft gesetzt wurde, keine ähnliche Maßnahme für Steiermark annehmen lassen; nach dem eben dargelegten Vorbild anderer Länder wäre jedoch immerhin die Möglichkeit ähnlicher Versuche in Steiermark denkbar. Wenn auch für Steiermark keine einheitliche Landgerichtsordnung in dieser Zeit vorhanden gewesen sein sollte, so wäre es dennoch lohnend, über die frühere Ordnung der Strafrechtspflege in Steiermark mehr Klarheit zu erlangen * 2). Für das landesfürstliche Landgericht im Ennstal mit dem Sitz in Wolkenstein erließ Friedrich III. 1478 eine ausführliche Landgerichtsordnung3); eine bedeutsame Neuerung, denn bisher war, wie allgemein, auch in Steiermark das vorwiegend auf Gewohnheiten und altem Herkommen beruhende Recht verstreut niedergelegt. Diese Landgerichtsordnung zeigt in ihrem äußerem Aufbau das Zusammenwirken alter und neuer Ansichten: Den älteren Teil bildet die Aufzählung von herkömmlichen Bestimmungen in Weistumsform, den jüngeren eine amtliche Neusetzung von Rechtsvorschriften durch den Kaiser, wobei insbesondere das Prinzip der amtswegigen Verbrechensverfolgung betont wird 4). Dieses Prinzip ist 1445 von Kaiser Friedrich III. gelegentlich der Regelung, wie Diebe und Diebsgut zu behandeln seien, noch unscharf ausgedrückt, während 1478 in der Landgerichtsordnung von Wolkenstein die Formulierung klar ist 5). Aus dem Schlußsatz des betreffenden Teiles von 1445 scheint sogar hervorzugehen, daß man schon damals dachte, für das Landgericht Wolkenstein eine eigene Regelung, nämlich die später tatsächlich durchgeführte, vorzunehmen. Nun, in den Landtagsverhandlungen etwa seit der Zeit um 1470 tauchen ab und zu Beschwerden der Landschaft über Mißstände in den Landgerichten auf6). Von Bedeutung für die Frage der Kodifikation ist zunächst der folgende Antrag der Landschaft: „Item von der lanndgericht wegen darin uns sein k. gnad ain gnedige antwurt getan hat, bit wir x) Gegen Luschins Meinung, diese Ordnung habe niemals Gesetzeskraft erlangt, vgl. B. Seuffert, a. a. O., S. 380. 2) Byloffs Darstellung setzt ein mit 1529. 3) Abgedruckt im VI. Bd. der Öst. Weistümer, S. 28 ff.; Über die äußeren Geschicke dieses auf die alte Grafschaft im Ennstal zurückgehenden Landgerichtes vgl. A. Mell, Grundriß der Verfassungsund Verwaltungsgeschichte der Steiermark, Graz 1929, S. 194 ff. 4) Die beiden Teile sind im Codex des Staatsarchivs auch an verschiedener Stelle untergebracht, vgl. Mon. Habs. 1/2 Nr. DLXXV, CMLVIII. 5) Wenn einer wegen einer Malefizsache festgenommen wird ,,. . . und von niemants darumben angesprochen wirdet den soll derselb unser land tri chter von ambts wegen . .. mit dem rechten und nit an dem guet straffen und soll umb solch peen und straff mit recht erkennen lassen.“ Öst. Weistümer VI, S. 3220. Vgl. dagegen Steirische landhandfeste, Ausgabe 1697, fol. 23. 6) Vgl. F. Krones, Beiträge z. Kunde steir. Geschichtsquellen, 2, 3.1865, 1866. Allerdings finden sich in den derzeit zugänglichen Landtagsakten der Jahre 1446 bis 1521 keine einschlägigen Nachrichten; Krones stand für seine Arbeit über das steirische Landtagswesen noch mehr Material zur Verfügung. 3 Festschrift, II. Band.