Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
VII. Allgemeine und österreichische Geschichte. - 71. Heinrich Benedikt (Wien): Der österreichische Staatsvertrag mit Neapel von 1759
388 Benedikt, des Kronprinzen Joseph, der Versorgung zweier Erzherzoginnen und in der Garantie des italienischen Besitzes des Erzhauses, vor allem für Toskana, gesehen. Hier sollte der Vertrag als Gegengewicht gegen den Separatartikel der „Quadrupelallianz“ dienen, laut welchem kein im Besitz anderer italienischer Länder stehendes Mitglied des Erzhauses Toskana erhalten dürfe. Hinter diesen Punkten traten die toskanischen Präsidien an Bedeutung zurück. Für den Hof von Neapel lag, seit Ludwig XV. der Erbfolge zustimmte, der Anreiz nur mehr in der Verlobung der Infantin mit Joseph. Der französische Botschafter Comte de Choiseul-Stainville, der bald darauf zum Duc de Praslin erhoben wurde, trug Kaunitz die Hand der Infantin Isabella von Parma für Joseph an. Der Staatskanzler konnte dies nicht einfach zur Kenntnis nehmen oder eine zweideutige Antwort geben und eröffnete dem Franzosen, daß die Kaiserin bereits dem Königspaar von Neapel ihr Wort gegeben. Stainville erhielt darauf von Versailles die Weisung, die Prinzessin dem zweiten Erzherzog anzubieten, außer wenn die neapolitanische Heirat nicht zustande käme und Joseph frei würde. Kaunitz benützte die Gelegenheit, seinem Freunde Firmian gegenüber hervorzuheben, wie gut es für einen Diplomaten sei, manchmal gleich die Wahrheit zu sagen, denn, kaum hatte er sie Stainville eröffnet, erklärte dieser, daß sie ihm schon längst bekannt sei. Die Schwierigkeit der Verheiratung von Isabella mit Erzherzog Karl lag in der Versorgung. Als Kaunitz unter Berufung auf das Hausgesetz eine Erklärung vermeiden wollte, gab ihm Stainville zu verstehen, daß ihm der Inhalt des Geheimartikels der „Quadrupelallianz“ bekannt sei. Nur mit Bedauern sah sich Maria Theresia durch ihr gegebenes Wort genötigt, den Antrag Ludwigs XV., seine Enkelin mit Joseph zu vermählen, abzulehnen. Da fand Kaunitz einen Ausweg: die Liebe. Joseph ist nämlich von der Infantin Isabella Leibes- und Gemüts-Eigenschaften unter der Hand benachrichtigt worden und hat auf diese Prinzessin eine solche vorzügliche Neigung geworfen, welche ihn vermöget unseres herzinniglich geliebtesten Gemahls des Kaisers Majestät und Liebden und Uns mit geziemender kindlicher Ehrerbietung zu erkennen zu geben, daß er ohne seiner Gesinnung Gewalt anzutun, sich mit keiner andern Prinzessin in Eheverlöbnis einlassen könne. Um die Pille zu verzuckern, wurde auf einmal die Möglichkeit der Secundogenitur in Toskana für den zweiten Erzherzog und künftigen Gatten einer Infantin in Betracht gezogen1). Kaunitz schiebt die Schuld an der Entlobung Josephs Tanucci in die Schuhe: Es ist also dem Neapolitanischen Hof und vermutlich dem allzu feinen Benehmen des dortigen Staatssecretari Tanucci beizumessen, daß die geheime Unterhandlung imvollkommen verblieben und Graf Firmian, ohne etwas zum Schlüsse zu bringen, von dannen abreisen müssen. Neipperg oblag die Aufgabe, die Verlobung des Kronprinzen Joseph dem Hof mitzuteilen. Karl und Amalia sahen sich um ihre Hoffnungen betrogen, Tanucci bedauerte pathetisch, daß das erste Auftreten Josephs auf dem Welttheater in der Verweigerung des kindlichen Gehorsams bestehe und wunderte sich, auf welche Weise er von den Reizen Isabellens, die er nie gesehen, erfahren habe. Er führte die Verliebtheit des Kronprinzen auf die Intriguen Choiseuls zurück. Karl und Amalia waren besonders darüber gekränkt, daß ihren Töchtern die Nichte, die Tochter des gehaßten Bruders, vorgezogen wurde. Aber man mußte zur Tagesordnung übergehen und so sah Tanucci nun in der Errichtung der Toskanischen Secundogenitur und der Vermählung des zweiten Erzherzogs mit einer Infantin den Grundstein einer österreichisch-sizilianischen Allianz. Er hatte einen schweren Stand, da das Königspaar ihm vorwarf, durch sein Bestehen auf das elende Porto Ferraio die Vermählung verdorben zu haben, und er durch günstige Vertragsbedingungen eine kleine Entschädigung für die entgangene Hoffnung erreichen mußte. Karl wollte seine älteste Tochter anbringen, aber Neipperg warnte die Kaiserin, da „der Bau des Körpers dieser Infantin elend und unansehnlich“ sei. *) *) An Kaunitz 13. November 1757. — W. 25. März 1759, Fasz. 15. — Arneth, V, S. 452 ff.