Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
VII. Allgemeine und österreichische Geschichte. - 71. Heinrich Benedikt (Wien): Der österreichische Staatsvertrag mit Neapel von 1759
386 Benedikt, und Preußen versuchten, dem Sultan die Waffen gegen die Kaiserin in die Hand zu drücken 1). Die Verhandlungen zwischen Wien und Caserta waren noch immer nicht abgeschlossen. Tanucci hielt die Ehen für gesichert und schacherte um Porto Ferraio. Die Kaiserin möge, riet er, ihre Ansprüche zurückstellen, unter Verwandten werde sich leicht eine Lösung finden. Firmian begegnete diesem Vorschlag nur mit einem Lächeln, Kaunitz der „allzu übertriebenen Feine und Künstelei“ des Staatssekretärs mit andauerndem Schweigen, dessen Sinn ihm nicht entgehen konnte 2). Tanucci hofft den Wiener Hof zur Errichtung einer Secundogenitur zu gewinnen, um die jüngere Infantin als Landesfürstin an der Seite des Erzherzogs Karl zu sehen, sei es in Toskana, sei es in der um die Herzogtümer vergrößerten Lombardei und will sich mit der Einsetzung des Erzherzogs als Erb-Generalgouverneur bescheiden, als Firmian auf das Hausgesetz hinweist, das eine solche Schmälerung der Rechte des Erstgeborenen nicht zulasse. Kaunitz verschwieg, daß die Errichtung einer Secundogenitur in Toskana gar nicht zu vermeiden war, da in dem achten geheimen Separatartikel der „Quadrupelallianz“ die Bestimmung stand, daß kein Prinz aus dem Hause Österreich, der ein italienisches Land besitzt, Toskana oder Parma erhält. Im August 1758 wird Firmian zum bevollmächtigten Minister in der Lombardei ernannt 3). Er begegnet auf der Reise seinem Nachfolger, dem Grafen Leopold Carl von Neipperg 4), gibt ihm Informationen, behält aber, wie es der Übung entsprach, wichtige „anteactes“ zurück, die dem neuen Botschafter mehrmals abgehen 5). Friedrich führte den Krieg gegen Maria Theresia mit englischem Geld, aber der Krieg zwischen Großbritannien und der Kaiserin war nicht erklärt. Sir John Gray ließ Neipperg durch den sardinischen Gesandten sein Bedauern aussprechen, daß der Krieg zwischen ihren beiden Höfen ihm nicht gestattete, seine persönliche Bekanntschaft zu machen. Sir John geriet in Verlegenheit, als er die Antwort Neippergs erfuhr: er wisse nicht, daß England mit der Kaiserin Krieg führe. Am 4. Februar 1759 erhielt Neipperg seine Antrittsaudienz. Der König empfing ihn mit seinem gewohnten Lächeln, das er während der ganzen Audienz nicht ablegte. Ansprache und Antwort wurden französisch gehalten. Vor der Königin hielt Neipperg eine deutsche Ansprache, da er ihre Vorliebe für ihre Muttersprache kannte. Die Infanten, außer Don Philipp, wurden vorgeführt. Dann besuchte der Botschafter die Prinzessinnen. Nicht die ältere, Maria Josepha, sondern die jüngere Maria Luisa erwiderte seine Anrede „mit wenigen Worten, woran ich nicht minder Verstand als Holdseligkeit bewunderte“. Nach der Tafel zeigte ihm das Königspaar die Ausgrabungen von Herculaneum, die Pläne von Caserta und der Wasserleitung und eine Mustersammlung aller im Königreich gebrochenen Marmorarten 6). Der Schloßbau von Caserta verschlang Unsummen. Sie waren besser angewandt, als wären sie zur Aufrüstung verwendet worden. Aber gerade damals hatte Karl III. kriegerische Pläne. Er fürchtete, daß sein Bruder sich Neapels bemächtigen wolle, u. zw. mit Hilfe Sardiniens, der einzigen militärischen Macht, die ein solches Vorhaben ausführen konnte. Karl bestimmte San Germano, das seither in Cassino umgetauft wurde, als Sammellager für 16.000 Mann. Neapel litt Mangel an Mannschaft und Pferden. Nichts schien die Piemontesen zu hindern, durch die Lombardei nach dem Süden zu ziehen. Weder Ludwig XV. noch !) B. 24. April 1759. 2) 20. Juni 1758. 3) An Kaunitz 1., 18. August 1758. 4) Wurzbach, XX, S. 157. — Er ist der Sohn des Feldmarschalls, der den Belgrader Frieden von 1739 schloß und der Vater des zweiten Gatten Maria Louisens. — Benedikt, Die Schreibmaschine des Grafen Neipperg. Blätter für Technikgeschichte, 11. Heft (Wien 1949), S. 77—81. 5) Neipperg an Kaunitz, Herrenhausen 12. Jänner 1759. ®) B. 6. Februar 1759.