Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

VII. Allgemeine und österreichische Geschichte. - 71. Heinrich Benedikt (Wien): Der österreichische Staatsvertrag mit Neapel von 1759

Der österreichische Staatsvertrag mit Neapel von 1759. 383 Die Kaiserin war bereit, förmlich für ihren Erstgeborenen um die Hand der ältesten Infantin zu werben, sobald die Frage der Schadloshaltung für das Rückfallsrecht in den Herzogtümern und der Thronfolge in Neapel geregelt sei. Auch war sie willens, zwei Erzherzoginnen für die zur Regierung in Spanien und Neapel tauglichen Infanten zu bestimmen. Don Philipp, so führt Firmian in seinen Gesprächen mit Tanucci aus, gewinnt durch den Verzicht der Kaiserin auf das Rückfallsrecht nichts. Er muß auf beide Sizilien verzichten, bleibt der einzige Verlusttragende und Karl III. streicht allen Gewinn ein. Man darf nicht erwarten, daß der Herzog von Parma ohne Entschädigung auf Neapel verzichten werde. Karl möge diesbezügliche Vorschläge durch Firmian an Starhemberg in Paris weiterleiten lassen, der sie unterstützen werde. Die Kaiserin wolle sich mit dem Stato de’ Presidii und dem Verzicht auf die Allode abfinden. Das Reversionsrecht in Piacenza dürfe nicht präjudiziert werden, da die Kaiserin nicht auf etwas verzichten könne, das ihr nicht gehöre. Eine Entschädigung für den Herzog von Parma konnte, wie man in Neapel annahm, nur Belgien sein. Tanucci meinte, Don Philipp müßte sich mit dem Verzicht der Kaiserin auf das Rückfallsrecht begnügen, denn: Die Niederlande in den Händen des Infanten Don Philippe als eines an sich machtlosen Fürsten wäre ein wesentlicher und fürchterlicher Zuwachs der französischen Macht. Des ganzen spanischen Hauses Interesse erfordere, daß ein spanischer Infant nicht lediglich von der Willkür Frankreichs abhange. Die Besetzung von Ostende und Nieuwpoort durch die Franzosen galt als Vorbote für die Einsetzung des Infanten und der französische Gesandte im Haag gebärdete sich, als wären die Franzosen bereits die Herren von Belgien x). Im Austausch Belgiens mit den Herzogtümern sah Tanucci die Gefahr, daß ganz Italien der Willkür Österreichs ausgesetzt werde, worauf Firmian zur Antwort gab: „Die Länge der Staaten und deren Umfang ist nicht immer eine Probe ihrer Macht.“ Es war nicht Belgien, das als Austauschobjekt für die Herzogtümer in Aussicht genommen wurde, sondern Toskana. Firmian wurde dies als streng zu wahrendes Geheimnis anvertraut, aber es war bereits das politische Tagesgespräch Europas, an dem sich die englischen Zeitungen beteiligten. Der beabsichtigte Tausch drängte das Interesse der Kaiserin an Neapel zurück. Ein Reskript, das Kaunitz ihr zur Unterschrift vorlegte, enthielt die Bemerkung: Sollte aber der genannte Hof einer büligen Zurückgabe nicht stattgeben, noch in das wesentliche Unseres Planes eingehen wollen, so müssen Wir es geschehen lassen und könnten gar wohl verschmerzen, wann die ganze Handlung in Stecken gerathen und völlig zerfallen sollte * 2). Der Absatz wurde auf Befehl der Kaiserin gestrichen, die ihn nicht geeignet hielt, den Eifer ihres Botschafters anzuspornen, auch mochte sie an dem Zustandekommen des Tausches Zweifel hegen 3). Als Firmian die Siegesnachricht von Kolin (die Schlacht wurde damals noch nach dem weniger wohlklingenden Chotzernitz benannt) überbrachte, bemerkte die Königin zu dem Artillerieobersten Conte Gazzola: „Die Österreicher haben deinen Helden ordentlich bei den Hörnern gepackt.“ Die spanische Partei sympathisierte mit Preußen und d’Aussun sagte Firmian, Karl fürchte sich vor der steigenden Macht Österreichs, seine Freude über den Sieg sei geheuchelt und er sehe in Neapel das nächste Ziel der kaiserlichen Machtgelüste, sobald Schlesien zurückgewonnen sei. In dieser Meinung bestärkten Tanucci und die Spanier den König. Nur die Freude Amalias war aufrichtig. Als d’Aussun seinen österreichischen Kollegen beglückwünschte, betrachtete er, wie zufällig, das Bild des Kronprinzen Joseph und bemerkte, er käme in die Jahre, wo man ans x) W. 8. August 1757. 2) W. 13. November 1757, Fasz. 15. 3) England war gegen das Projekt, da die Bourbonen durch den Gewinn von Livorno ihre Seemacht verstärkt hätten. Beilage zu B. 28. Jänner 1758, Fasz. 3.

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