Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
VII. Allgemeine und österreichische Geschichte. - 71. Heinrich Benedikt (Wien): Der österreichische Staatsvertrag mit Neapel von 1759
380 Benedikt, Die Plätze abzutreten, widerspräche, wie Tanucci bemerkte, dem schon von den spanischen Habsburgern unverrückbar eingehaltenen Grundsatz, da sie eine Mauer für die Sicherheit der beiden Sizilien bilden. Firmian bestritt diese Bedeutung und wußte nur, daß die Plätze große Ausgaben verursachten und keinen Ertrag abwarfen. Tanucci verstieg sich sogar zu der Behauptung, daß ihre Erwerbung gegen das Interesse der Kaiserin wäre, denn wenn Österreich in Italien außer der Lombardei und Toskana noch die Präsidien besäße, würde Neapel von seiner Willkür abhängig sein und dies könnte die Nachfolger seines Herrn veranlassen, sich an Frankreich oder Savoyen zu binden. Er sehe allerdings eine Möglichkeit, die Präsidien, ohne eine Erkältung der Beziehungen zum Wiener Hof herbeizuführen, abzutreten und das wäre, wenn sie als Brautschatz von der Infantin Maria Luisa jenem Erzherzog zugeführt würden, welcher einmal Toskana erhielte. Da sich die Abtretung der Präsidien nicht vermeiden ließ, suchte Karl III. bei dieser Gelegenheit in Elba *) etwas für sich herauszuschlagen. Porto Longone gehörte zur Krone Neapels, Porto Ferraio zu Toskana und das Gebiet dazwischen zum Fürstentum Piombino * 2), welches der Duca die Sora Gaetano Buoncompagni-Ludovisi als spanisches Lehen besaß, obwohl der König beider Sizilien die Landeshoheit ausübte. Der König von Spanien behauptete, daß sein Vater die Souveränität über Piombino Karl III. nur auf Lebenszeit übertragen hätte, und Karl III., der mit seinem Bruder nicht streiten wollte, war bereit, auf die Landeshoheit zu verzichten, sobald er den Thron Spaniens bestiege. Die Zusage wurde zurückgenommen, als gegen den Duca die Sora in Neapel Prozesse wegen unbeglichener Schulden anhängig waren, von denen mehrere auf Piombino hafteten. Sora beabsichtigte, soweit es sich um diese Hypotheken handelte, an Madrid zu appellieren und sich auf das spanische Fideikomißgesetz zu berufen, welches Schuldner mit einem Bruchteil des Werts der verpfändeten Liegenschaft abfindet. Karls Absicht war, nach Besteigung des spanischen Throns die Oberherrlichkeit über Piombino der Krone Neapels zu übertragen, damit die Gläubiger nicht zu kurz kämen 3). Porto Ferraio gehörte als alter mediceischer Besitz zum Großherzogtum Toskana. Karl war bereit, gegen Überlassung dieses Hafens die Präsidien auf dem Festland abzutreten. Firmian ließ sich mit dem Hinweis darauf, daß es sich darum handle, eine Entschädigung für die Kaiserin zu finden, nicht aber um einen Tausch, nicht näher auf den Vorschlag ein. Toskana konnte dem Tausch schon deshalb nicht zustimmen, da seine Kriegsflotte, so klein sie war, nicht in den Hafen von Livorno einfahren konnte, ohne die dort liegenden Handelsschiffe zu behindern, und genötigt war, außerhalb des Molo an der Rhede Anker zu werfen, weshalb Porto Ferraio als Winterhafen und Marinearsenal diente 4). Der eigentliche Gegensatz zwischen den beiden Höfen lag darin, daß Caserta zuerst die Ehen und dann erst die Sukzessionsordnung und das Äquivalent behandeln wollte, während Schönbrunn die Heiraten als Krönung des zu Ende geführten Werkes betrachtete. Man verstand zwar die Gründe, welche die Kaiserin bewogen, eine Erklärung hinauszuschieben, wollte aber doch wissen, woran man sei, zumal die Gerüchte der Verlobung des Kronprinzen Joseph mit Isabella von Parma nicht verstummten. Der Gesandte in Venedig Conte Giuseppe Finocchetti fragte bereits an, ob er die Glückwünsche seines Hofes in Parma überreichen solle5). Die Herzogin von Parma, das Lieblingskind Ludwigs XV., hatte mit der Pompadour Frieden geschlossen und bereitete eine Reise nach Paris vor, deren Zweck die Verlobung Isabellas mit Joseph war 6). q Eine Darstellung der staatsrechtlichen Verhältnisse Deduzione sopra la natura e dipendenza territoriale delle Coste di Toscana, ed isole adjacenti, e specialmente sopra l’Isola d’Elba, e Principato di Piombino. Varia Toscana 23, Bl. 74—89. 2) Notizia sopra il Principato di Piombino, Bl. 92—95. 3) W. 6. August 1757, Fasz. 15, B. 8. November 1757, 4. Oktober 1759, Fasz. 3. 4) Randbemerkungen von Baron Pfütschner zum Vertragsentwurf, Fasz. 19. 6) B. 21. Dezember 1756, Fasz. 2. ®) 7. Juni 1757. — Vgl. dazu Arneth, Alfred R. v., Maria Theresia, V, S. 451 ff.