Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
VII. Allgemeine und österreichische Geschichte. - 71. Heinrich Benedikt (Wien): Der österreichische Staatsvertrag mit Neapel von 1759
Der österreichische Staatsvertrag mit Neapel von 1759. 377 Auf einem Besuch in Caserta wurde Firmian vom Beichtvater der Königin, Johann Hilleprand S. J., angesprochen. Die Königin wisse, daß er ihr einen Brief der Kaiserin übergeben solle und in ein Geschäft eingeweiht sei, das sowohl vor dem Bailli Niccolö di Maio, dem Botschafter in Wien, als auch vor Fogliani geheimgehalten werde, und sie lasse ihn bitten, ihm, dem Beichtvater, den Brief einzuhändigen. Firmian ließ durch Pater Hilleprand die Königin bitten, ihn in geheimer Audienz zu empfangen. Der Botschafter scheute sich, die Meldung über dieses Gespräch durch seinen Kammerdiener, den einzigen ihm zur Verfügung stehenden Sonderkurier, zu befördern, da dies die Neugierde der Neapler Minister erweckt hätte, und übergab sie dem gerade nach Rom fahrenden Earl of Euston, einem Enkel des Duke of Grafton, der in Gesellschaft eines Monsieur d’Alleon die Sehenswürdigkeiten Neapels besichtigt hatte. Die Person des Engländers bürgte, daß der Brief nicht an der Grenze geöffnet würde. Die geheime Zusammenkunft fand am 2. Mai 1754 um 5 Uhr in Portiéi statt und dauerte zwei Stunden. Firmian begab sich, als wollte er die jüngsten Ausgrabungen besichtigen, in das Erdgeschoß des Palastes, wo die Altertümer untergebracht waren. An die Galerie stießen die Gemächer der Königin. Amalia erschien in der Kleidung, ,,in welcher sie sonsten niemand denn ihre geheimsten Hof Dames und die bei der Abendtafel erscheinenden ersten Hofstellen zu sehen bekommen“. Nach einigen Bemerkungen zu den Ausgrabungen brachte Amalia das Gespräch auf die Doppelheirat, welche die beiden Höfe mit einem untrennbaren Band verknüpfen und der fürchterlichen Macht Frankreichs Schranken setzen werde. Sie freue sich, die Urenkelin Leopolds I. zu sein und „wünsche nichts mehr als das Glück zu haben, das Haus Österreich mit dem spanischen Haus Bourbon auf ewig vereinbaren zu können“. Sie stelle ihrem Gemahl immer vor, daß Frankreich Schuld gewesen, daß Spanien und Neapel im letzten Krieg so viel Blut verloren. Die einzige Frucht sei Parma gewesen, und mit dem Geld, das der Krieg kostete, hätte man die Herzogtümer zehnmal kaufen können. Sie klagte über Frankreich, das Brandenburg begünstige und dadurch Sachsen gefährde. Firmian erwiderte, daß die Kaiserin „weder Geld noch Unterhandlungen spare, um mit Beihilfe Rußlands und Englands den König von Preußen in Zaum zu halten und außerstand zu setzen, gegen das Haus Sachsen auch nur das mindeste zu unternehmen“1). Der Königin, in der Maria Theresia „eine wahre Muhme und deutsche Prinzessin finden“ würde, lag vor allem und vielleicht einzig und allein die Verlobung ihrer ältesten Tochter mit Joseph am Herzen, aber Firmian mußte sie auf die Zukunft bis zur römischen Königswahl vertrösten. Am 8. August hatte Firmian eine zweite Unterredung mit der Königin. Kaunitz instruierte in einem kaiserlichen Reskript den Botschafter darüber, was er Amalia, der das Wohl Sachsens am Herzen lag, vorzubringen habe. Die bisherige Erfahrung dienet zur besten Lehrmeisterin und nichts ist leider! begründeter als der Königin tief eingehende Anmerkung, daß der König in Preußen hauptsächlich durch französischen Vorschub und andauernde Unterstützung dem Churhaus Sachsen so fürchterlich worden und daß dieser Hof einer beständigen Gefahr ausgesetzt sei, von dem genannten König überfallen und völlig entkräftet zu werden. Österreich und Rußland werden, fährt Kaunitz fort, mehr als bundesmäßigen Beistand leisten, sie werden alle Kräfte anspannen. Es sei zu beklagen, daß Frankreich keine Kosten spare, die französische Partei in Polen zu stärken, um die Wahl des Prinzen Conti zu erreichen, wie schon „alle bisherigen polnischen Reichstage durch die Unterbauungen der französischen und preußischen Ministres zerrissen wurden“ 2). Firmian eröffnete der Königin, daß die Kaiserin Beweise habe, wie sich Frankreich im Verein mit Preußen bemühe, die Krone Polens nach dem Ableben Augusts III. dem Hause Sachsen zu entreißen und dem Prinzen Conti zuzuschanzen. „Die Königin entsetzte b B. 15. Mai 1754. 2) Weisung 22. Juli 1754, Fasz. 15.