Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

VII. Allgemeine und österreichische Geschichte. - 71. Heinrich Benedikt (Wien): Der österreichische Staatsvertrag mit Neapel von 1759

Der österreichische Stoatsvertrag mit Neapel von 1759. 375 Botschafter regelmäßig im geheimen und in Verkleidung besuche 1). Da das Ehepaar in kleinem Kreis recht unvorsichtig zu sprechen pflegte, wollte Firmian einen Konfidenten in ihr Haus bringen. So wäre kein anderer Weg eben jenes, was der Ambassadeur erfahret, zu wissen, als einen Offizier der Italienischen Garde, deren Oberst Castropignano ist und jederzeit freien Eintritt hat, durch einige Käuflichkeit zu gewinnen 2). Ein Offizier, der sich zu solchen Dienst hergäbe, wäre, wie Firmian meint, nicht schwer zu finden. Foglianis Nachfolger wurde der Kandidat der Königin, Tanucci. Die Castropignano schmeichelte sich, ihn nach ihrer Willkür zu lenken, die Franzosen prahlten, daß er ihnen seine Laufbahn verdanke. Bernardo Tanucci war, ehe er als Justizsekretär nach Neapel berufen wurde, Professor in Pisa. Firmian berichtet, daß er mit Verehrung an dem Abbate Niccolini in Florenz hänge, der den jungen Gelehrten unterstützte und ihm viel Gutes erwies. Wenn man in Neapel die Erledigung eines Rechtsstreites beschleunigen will, dann bewirken zwei Zeilen von Niccolini mehr als alle königlichen Befehle, aber es ist schwer, den Abbate zu bewegen, von seiner Macht über den Freund Gebrauch zu machen. Marchese Tanucci leitete die auswärtigen Angelegenheiten und die Justiz, Marchese Leopoldo de Gregorio Principe di Squillace das Kriegs-, See- und Finanzwesen und Marchese Branconi die geistlichen Geschäfte und das Theater3). Squillace, noch vor kurzem als gefallener Mann betrachtet und gemieden, wurde von allen Seiten umworben ,,und ist keine Art von Niederträchtigkeit zu erdenken, wovon der hiesige, sonst hochmütige Adel nicht eine Probe gegeben“ 4). Das Lehen Squillace, das unter den aragonischen Königen einem jüngern Prinzen den Titel gab, war heimgefallen. Gregorio erstand es für 120.000 Dukaten. Das Lehen blieb mit dem Titel eines Principe verbunden, obwohl Karl III. daran dachte, die Adelstitel als besondere Geldquelle auszunutzen 5). Das erste war, daß sich die drei Staatssekretäre, welche an die Stelle Foglianis traten, infolge der unvermeidlichen Rang- und Kompetenzkonflikte in den Haaren lagen. Als Tanucci Paßformulare drucken ließ, auf denen er sich als ersten Staatsekretär bezeichnete, verwahrte sich Squillace dagegen und der König entschied, er habe keinen ersten, sondern drei gleiche Staatssekretäre 6). Tanucci galt als in den europäischen Angelegenheiten völlig unwissend 7). Er war der einzige der drei Staatssekretäre, der das Gehör der Königin besaß, stellte sich der Castropignano gefügig und hütete sich vor den Botschaftern, den Schein einer Parteilichkeit zu zeigen 8). Da das ,,große Geschäft“ Firmians in den Heiraten bestand, gehörte es zu seinen Pflichten, sich in der Kinderstube umzusehen. Der erstgeborene Infant Don Philipp Herzog von Calabrien hatte im Juli 1754 ,,drei Anstoß von der Kinderfrais“ und der Hof hoffte, ,,dieser Zustand werde diesen elenden Prinzen aus seinem mühseligen Leben erretten“ 9). Don Carlos, der größte und schönste unter den Brüdern, war freundlich im Umgang, sprach italienisch, spanisch und französisch, verstand den Eltern zu schmeicheln und hatte ein gutes Herz, das ihn weinen ließ, wenn er den älteren Bruder leiden sah. So wird der Monarch, x) B. 15. Juli. 2) B. 27. Mai. 3) B. 10. Juni. 4) Ebenda. 6) 4. Februar. 6) 17. April. 7) 28. Oktober. 8) Ebenda. 9) B. 9. Juli, 3. September und Istoria d’un male epilettico che da molto tempo ha sofferto un Nobile Fanciullo. Beilage zu B. 4. Juni, ferner Consulto Medico, Beilage zu B. 25. November 1756, mit dem Inhalt der Gutachten von Giambattista Morgagni in Padua, dem Begründer der pathologischen Anatomie, und Jacopo Bartolomeo Boccari in Bologna, die für die Geschichte der Medizin beachtenswert sind.

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