Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

VII. Allgemeine und österreichische Geschichte. - 71. Heinrich Benedikt (Wien): Der österreichische Staatsvertrag mit Neapel von 1759

374 Benedikt, berief, daß sie nie hätten veräußert werden dürfen. Er hat einen unglaublich großen Begriff von seiner Kriegsmacht, ist seinem Vater dankbar, daß er ihn lehrte, jedes Ungemach ohne Murren zu tragen, und spricht gern von der Schlacht bei Velletri. Als künftiger Herr von Spanien redet er viel von Madrid und Westindien. Er liebt seinen Bruder Ferdinand, fürchtet aber nichts mehr, als daß die Welt glauben könnte, er fühle sich abhängig. Den Bruder Parma liebt er keineswegs. Gegen Versailles zeigt er sich abgeneigt, teils wegen des Aachener Friedens, teils weil die Franzosen ,,der in Sizilien angelegten Seiden-, Gold- und Silberzeugfabrique alle nur möglichen Hindernisse in den Weg legen“. England ist er freundlich gesinnt, eingedenk, daß ihn die britische Flotte nach Italien brachte. Auf den heiligen Vater nimmt er wenig Rücksicht. Der Kirchenstaat muß, wenn er Nahrungsmittel aus dem Nachbarland einführt, oft ,,in einen sauren Apfel beißen“ 1). Die „harte Lebensart“ des ungewöhnlich mageren Königs bereitete Sorge um seine Gesundheit 2). Er war ein leidenschaftlicher Jäger. Neipperg war Zeuge, wie er auf einer Fasanenjagd in Procida unter 35 hintereinander abgegebenen Schüssen nur zweimal fehlte 3). Amalia von Sachsen, die an den Ratssitzungen teilnahm oder sich die Befehle gleich nach ihrer Ausfertigung vom Staatssekretär vorlegen ließ, zog in wichtigen Fragen eine wegen ihrer Frömmigkeit und Klugheit angesehene Klosterfrau in Capua zu Rat. Einen Tag vor dem Besuch der Königin fuhr in der Regel die Obersthofmeisterin Duchessa di Castropignano nach Capua, bereitete die Klosterfrau auf die Fragen vor und legte ihr die Antworten zurecht. Es war der Geist der Castropignano, der aus dem Orakel von Capua sprach. Der Sieger von Velletri Duca di Castropignano war Gardekapitän und Ober­befehlshaber. „Sein Herz ist so kaltsinnig, daß er niemandem zu nützen verlangt und sein Geist so schwach, daß er niemandem zu schaden imstand ist.“ Seine Frau war klug, schlau, ungemein häßlich und von verletzendem Hochmut. Das Ehepaar war das Haupt der französischen Partei. Der Versailler Agent bei den Castropignano war ein früherer Parlaments­rat von Bordeaux, Latour, der Schulden halber außer Land ging. Sein Bruder kam im Hause Castropignano als Hauslehrer des einzigen Sohnes unter. Als der König erfuhr, daß Latour anläßlich eines Besuches in Paris von Ludwig XV. 6000 Livres erhielt, fand er die Zeit reif, den Generalkapitän und die Obersthofmeisterin zu stürzen. Er ließ einen Castropignano unterstellten Kommissär verhaften, der vor drei Jahren dreihundert zum Festungsbau bestimmte Sträflinge nach Hause schickte und das Verpflegsgeld einsteckte. Castropignano stand im Verdacht, an dem Geschäft beteiligt zu sein. Die beurlaubten Schwerverbrecher erhöhten die Unsicherheit des Landes. Der König verlangte von Amalia, ihre Freundin zu opfern und die Königin stellte die Entlassung des Staatssekretärs Fogliani als Gegenforderung auf. Die Obersthofmeisterin wurde zur Kraftprobe zwischen Karl und Amalia. Die Sächsin gewann, die Untersuchung gegen den Generalkapitän wurde eingestellt, die Obersthofmeisterin blieb und Fogliani ging als Vizekönig nach Sizilien 4). Euer Majestät verlieren an Fogliani in der Hauptsache nichts, da er es zwar an äußerlicher Hoch­achtung nicht gebrechen läßt, seine Freundschaft aber mit Saint-Severin in Frankreich und seine Zuneigung für den Infanten von Parma seine Denkart stets zweifelhaft machten, vor allem aber, weil der König in ihn gar übles Vertrauen setzt 5). Der französische Botschafter erfuhr durch Latour alles, was sich bei Hof abspielte. Dem König war das bekannt und er bemerkte in Anwesenheit von vierzehn Personen, daß er sich über die Kühnheit Latours, noch immer in Neapel zu bleiben, ebenso wundere wie darüber, daß Castropignano diesen Spion in seinem Hause dulde; er wisse, daß Latour den *) B. 5. Juni 1754. 2) B. 23. Juli. 3) B. 21. August 1759, Fasz. 3. *) B. 5. November, 18. Dezember 1754, 25. Februar 1756, Fasz. 2. Vgl. Schipa, S. 474. 5) B. 1. April 1755.

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