Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
VII. Allgemeine und österreichische Geschichte. - 71. Heinrich Benedikt (Wien): Der österreichische Staatsvertrag mit Neapel von 1759
372 Benedikt, besagte beide größten Häuser von Europa vieler Rücksicht entübrigt sein, ungeheure Unkosten ersparen, allseitige Untertanen unendlich glücklich machen, auch die Religion und Christenheit gegen alle Anfechtungen sicher stellen könnten. Sowenig England ohne Holland an einem Krieg teilnehmen werde, aus Besorgnis, ein neutrales Holland könnte den ganzen Handel an sich ziehen, werden die Franzosen aus Besorgnis „daß nicht England ihnen im spanischen und westlichen Commercio einen großen Teil des nunmehr davon habenden Nutzens entziehe“, ohne spanisches Zutun etwas in Italien unternehmen. Es sei daher das sicherste Mittel, um die Buhe in Italien zu befestigen, Spanien zurückzuhalten. Die Bedeutung Karls III. lag besonders darin, daß er ausersehen war, in naher Zeit die Krone Spaniens zu tragen, ,,so Unsere Aufmerksamkeit für denselben zu verdoppeln ist“ x). Camporeale regte in einem Gespräch mit Reichsvizekanzler Colloredo, als ob es sein eigener Einfall wäre, eine Doppelhochzeit zwischen Erzherzog Joseph und der ältesten neapolitanischen Prinzessin und des ältesten Infanten mit einer Erzherzogin an. Vor seiner Rückberufung überreichte er, als er sich der günstigen Aufnahme des Planes vergewissert hatte, dem Reichsvizekanzler eine schriftliche Erklärung. Die Kaiserin durchschaute die Absicht des Königs, sie für die Änderung der Thronfolgeordnung in Neapel zu gewinnen und durch die Aussichten für ihre Kinder einen Ersatz für das Rückfallsrecht in Parma zu bieten. Karl hatte damals vier Söhne: Philipp (geb. 1747), Karl (IV. von Spanien, geb. 1748), Ferdinand (IV. beider Sizilien, geb. 1751) und Gabriel (geb. 1752) und zwei Töchter: Maria Josepha und Maria Luisa. Bei Philipp waren „alle Zeichen einer Blödsinnigkeit“ vorhanden; Karl, „wohlgewachsen und von munterem Geiste“ galt als Erbe Spaniens, war somit „ein ganz anständiger Bräutigam“ und die Kaiserin hielt es für „vergnüglich“, eine Erzherzogin auf dem spanischen Thron zu sehen. Sie erhoffte von dieser Verbindung die Rückkehr zu dem „System, wie zu Ende des vorigen saeculi zwischen dem Erzhaus und der Krone Spaniens geherrscht hat“. Maria Theresia war auch bereit, zwei Töchter zu verheiraten, wenn die Anwärter auf die spanische und die sizilianische Krone freiten. Die weibliche Sukzession war nur durch „vier Augen, welch letztere ohnedem wegen ihrer Jugend noch viele Gefahr zu überstehen hätten“, vom Thron beider Sizilien entfernt. Es eröffnete sich die Aussicht, daß die älteste Infantin „solche ihrem künftigen Gemahl als einen sehr schönen Brautschatz“ zubrächte. Der Wiener Hof hatte „nicht ganz unglaubhafte Nachrichten“, daß Ludwig XV. mit Ferdinand VI. übereingekommen sei, Neapel den Kindern Karls III. zu belassen und den Besitz des Herzogs von Parma um einen Teil der österreichischen Staaten in Oberitalien, welcher „feindlich entrissen“ werden sollte, zu vermehren. Die Kaiserin befürchtete, daß „aus den Irrungen“ zwischen den Brüdern Karl und Philipp ein Krieg entstände, in welchem Ludwig XV. voraussichtlich seinen Schwiegersohn Parma unterstützen würde. Die Unsicherheit der Sukzession gebot, das Eheprojekt nicht voreilig zu behandeln und dazu bot das „Geschäft der Römischen Königs wähl“ den Vorwand. Es könnte nötig sein, mit einer Kurstimme die Hand einer deutschen Prinzessin in Kauf zu nehmen. Die Kaiserin beschloß, die Königswahl abzuwarten. Das Ehegeschäft wurde dem Nachfolger Esterhazys, dem Grafen Karl Joseph von Firmian 1 2) anvertraut und ihm Vorsicht gegenüber dem ersten Minister Fogliani eingeschärft, der Güter in Parma besaß und verdächtigt wurde, im Solde Frankreichs zu stehen 3). Don Juan Fogliani de Aragon Marques de Pelegrino stammte aus Piacenza, war ein Günstling der Elisabeth Farnese und führte als Staatssekretär von 1746 bis 1755 die Regierung. Die Reibungen zwischen ihm und Esterhazy bildeten den Abgesang der habsburg-bourbonischen 1) Instruktion 30. September 1750. 2) Wurzbach, IV, 232 f. — Enciclopedia Italiana, XV, 463 s.; Maass Ferd., Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus. Mitt. d. österr. Staatsarchivs, Bd. I, Heft 2 (1948), 289—444. 3) Instruktion 6. November 1753.