Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 50. Hermann Balti (Graz): Beiträge zur Geschichte der steirischen und österreichischen Strafrechtskodifikationen im 15. und 16. Jahrhundert

26 Balti, gerichtsordnung“ erwähnen, berichtet am 26. Februar 1574 die steirische Landschaft dem König, es sei schon früher ein Entwurf verfaßt worden der „sonders zweifl von den alten Steyrern mit sondern vleis beratschlagt, verfasst und dann durch ein ganze E. L. khaiser ferdinando . . . um bestättung übergeben worden, die dann I. Mt allergst. gefallen und die confirmation zur publication darüber fertigen lassen“ *). Trotz dieser mit Bestimmtheit gemachten Mitteilung, es habe schon zur Zeit von Kaiser Ferdinand eine steirische Landgerichtsordnung bestanden, lehnte Byloff deren Richtigkeit ab: es sei möglich, daß der Herrscher „in nicht offizieller Form dem Entwurf zugestimmt und die Promulgation des Gesetzes in Aussicht gestellt hat“ doch sei es nicht zur Ausführung gekommen „allein eine formelle Promulgation ist nirgends aufzufinden“; daraus gehe klar hervor, daß der von der Landschaft erwähnte Text in der ferdinandeischen Zeit nicht Gesetz geworden sei. Bedenkt man allerdings die Überlieferungsverhältnisse gerade dieser Zeit, die oft formlose Art, Gesetze in Kraft zu setzen und die Tatsache, daß in Kärnten 1550 eine Landgerichts­ordnung ohne besondere Promulgation ins Leben trat, so scheint die von Byloff für seine Meinung gegebene Begründung nicht sehr überzeugend — auch wenn er tatsächlich Recht haben sollte. II. Der 1574 von der steirischen Landschaft der ferdinandeischen Zeit zugeschriebene Text einer Landgerichtsordnung ist wohl identisch mit dem erstmals von Ferdinand Bischoff erwähnten2), von Luschin fälschlich dem Jahr 1531 zugeschriebenen und von Byloff als „Entwurf III“ der steirischen Landgerichtsordnung von 1574 bezeichneten Text. (Die beiden anderen Entwürfe fallen wohl in die Jahre 1530 und 1536, sind jedoch nicht überliefert.) Der Kodex enthält die Landgerichtsordnung nicht vollständig, der Rest des ersten und zweiten Teiles fehlt ebenso wie der gesamte dritte Teil und die Schlußbestimmungen der Landgerichtsordnung, ansonsten stimmt die Reiner Fassung mit der amtlichen Ausgabe von 1574 überein; die fehlenden Artikel waren aber zur Zeit der Niederschrift des Textes vorhanden, weil im Text selbst wiederholt auf andere Artikel, die nicht abgeschrieben sind, verwiesen wird. Byloff setzte die Entstehung dieser undatierten Fassung in die Zeit von 1542 bis 1546 3) und ging damit, wie sich gleich zeigen wird, nicht fehl. Aber der für die andere Annahme Byloffs, diese Fassung sei nie in Kraft getreten, vorgebrachte Grund, das Fehlen eines Promulgationsaktes, ist anfechtbar, zumal der Text sich in einem aus­gesprochen praktischen Zwecken dienenden Sammelband befindet. Wozu sollte in einem solchen Werk ein Entwurf, ein Vorschlag auf vielen Seiten abgeschrieben worden sein ? Näheres Wissen um den für die steirische Strafrechtsgeschichte zweifellos sehr bedeutsamen Text und zugleich eine Aufhellung der hier ungeklärten Kodifikationsgeschichte der Land­gerichtsordnung von 1574 brachten nun archivalische Arbeiten im Staatsarchiv zu Wien und im Landesarchiv in Graz. Zur möglichsten Vereinfachung der Strafrechtspflege in den österreichischen Erb- landen befahl König Ferdinand am 6. Mai 1544 in einem Schreiben an das niederösterreichische Regiment, daß „allenthalben in vnseren Lannden guette Reformation gemacht vnd solich gericht mit guetter Ordnung vnd grundt gehanndelt werden“ wobei die Carolina neben anderen brauchbaren Ordnungen verwendet werden solle4). Dieser Befehl nun wurde ebenso wie in Kärnten auch in Steiermark der äußere Anlaß zu entsprechenden Arbeiten. x) Landesarchiv Graz, Landtagshandlungen, Bd. 18 und Byloff, S. 50 f. 2) Beitr. z. Kunde steierm. Geschichtsquellen, 11, 1874, S. 138 ff. Es handelt sich um einen Kodex des Stiftsarchivs Rein, äußerlich in ziemlich schlechten Zustand, innen aber gut erhalten. Seinen rechts­geschichtlich wertvollen Inhalt büden im 16. Jahrhundert geschriebene Kopien von Urkunden, Formeln, Zeugbriefen, Landesfreiheiten, das Steirische Landrecht, „fragstück“ für Prozesse usw. Die letzte Ein­tragung stammt aus 1571. Der Kodex diente zweifellos praktischen Zwecken, wohl eines Kloster­beamten. 3) S. 35 f. 4) Staatsarchiv Wien, Innerösterreichische Akten, Kärnten, fase. 1.

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