Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
VI. Kirchengeschichte - 64. Friedrich Engel-Jánosi (Washington): Zwei Studien zur Geschichte des österreichischen Vetorechtes
Zwei Studien zur Geschichte des österreichischen Vetorechtes. 291 und Volontari pontifici, angedeihen ließ, größere Bedeutung gehabt zu haben scheinen x). Die sichere Gegnerschaft Bernettis gegen Österreich mochte das Veto Metternichs erklären, aber die Wahl ergab, daß nicht eine Stimme für diesen Kardinal abgegeben wurde: Österreich hat sein Exklusionsrecht im Jahre 1846 vertan. Man wird noch einen Schritt weiter gehen dürfen: Österreich hat nicht nur nichts gegen die Wahl Mastai-Ferrettis unternommen; vielmehr haben manche maßgebende Staatsmänner der Donaumonarchie die Befriedigung, mit der die Nachricht von der erfolgten Wahl weithin aufgenommen wurde, zunächst voll geteilt. Der sardinische Außenminister sprach von der ganz besonders glücklichen Papstwahl und Guizot, obwohl über die Persönlichkeit Pius IX. im Juni nur wenig informiert, hatte nur günstiges zu bemerken; noch bestimmter war der französische Minister in seinem Preis des neuen Papstes seinem Botschafter in Rom gegenüber 2). Zunächst war es wohl in Wien wie in Paris die kurze Dauer des Konklave, die befriedigte, da man andernfalls schwere Komplikationen voraussah: schon sprach man in Rom am 16. Juni davon, daß die Stimmung in Bologna wiederum einen bedrohlichen Charakter annahm, als ob sich die Ereignisse von 1831 wiederholen sollten 3). Durch die rasche Wahl ,,hat sich das Kardinalskolleg unsterblich gemacht“, schrieb Graf Lützow an dem Tag, an dem der neue Papst proklamiert wurde 4). Und wenn der Botschafter später zugab, Mastai vor dem Konklave nur einmal gesehen zu haben und wiederholt bemerkte, daß Pius IX. vor seiner Wahl gänzlich seinem Bischofsamt gelebt habe und — wie Lützow meint — deshalb der Politik völlig ferngestanden habe, so faßte er unmittelbar nach der Wahl sein Urteil dahin zusammen, daß die Kardinäle den gewählt hätten, den er seit mehreren Jahren als einen der Würdigsten betrachtet, dessen Wahl er aber wegen dessen Jugend nicht zu erhoffen gewagt hätte 5). Kardinal Schwarzenberg, der über Drängen Metternichs sich endlich entschloß, zum Konklave zu reisen und dann am darauffolgenden Tag die Nachricht von der vollzogenen Wahl erhielt, kam in einem Brief an Lützow auf den Jubel zu sprechen, mit dem die Römer diese Ankündigung empfingen und fügte hinzu, daß er sich eine solche Stimmung ,,aus der Schilderung, die ihm der Botschafter von den ausgezeichneten Eigenschaften“ Pius IX. früher gemacht hatte, wohl erklären könne 6). Am Tage, nachdem er die Mitteilung erhielt, preist Metternich die ,,bonne nouvelle“, und fährt fort: ,,... dieses Ereignis zählt in meinen Augen zu den größten, welche die Verhältnisse der Welt darbieten konnten. . . . Das, was noch vor wenigen Tagen das Ziel unserer Wünsche bildete, ist nun erfüllt“ 7). In der travestierten Litanei aus den Konklavetagen hieß es: „Ut vias ferreas concedere digneris — Te rogamus, audi nos. Ut alias institutiones hodemias utilesque concedere digneris — Te rogamus, audi nos. Ut amnistiam delinquentibus politicis concedere digneris — Te rogamus, audi nos.“ Rossi berichtet am Tage der Proklamation, daß ihm mehrere Kardinäle, die dem neuen Papst besonders nahe standen, versicherten, Amnestie und Eisenbahnen würden sofort gewährt werden. „Avremo delle strade di ferro, de l’amnestie: faremo qualche cosa“, sagte Pius wiederholt und noch im August zu Lützow. Das Amnestiedekret wurde am 16. Juli *) *) Berichte Rom, 14., 19., 23. Jänner 1836; Weisungen Rom, 6. Februar 1836, StA. — Bernetti hatte sich Österreichs besonderes Mißfallen beim Konklave 1831 zugezogen, als er, wie behauptet wird, sich mit seinem Anhang in einem kritischen Augenblick an die Gesandten Frankreichs und Rußlands mit der Frage wandte, welcher Kardinal diesen Höfen genehm sei. Eisler, a. a. O., 242. 2) Berichte Turin, 23. Juni, Paris, 30. Juni 1846, StA.; Rome, 17. Juni, Instruction 27. Juni, A. A. E. 3) Berichte Paris, 8., 30. Juni 1846, StA.; Rome, 17. Juni 1846, A. A. E. 4) Lettre particuliére, 17. Juni 1846, StA. 5) Lettre particuliére, 8. Juli 1846; Bericht Rom, 20. Juni 1846, Nr. 35 A, B, StA. — Daß Kardinal Mastai sehr selten in Rom gesehen wurde und dort wenig bekannt war, darüber vgl. auch Mitterretzner, a. a. O., S. 29. 6) Briefe Kardinal Schwarzenbergs an Lützow, 17., 23., 24. Juni 1846 in „Verschiedene päpstliche Behörden und Miscellanea, 1846“, StA. ') Lettre particuliére Metternichs an Lützow, 23. Juni und ähnlich 28. Juni, Varia de Rome, 1846, StA.