Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

VI. Kirchengeschichte - 64. Friedrich Engel-Jánosi (Washington): Zwei Studien zur Geschichte des österreichischen Vetorechtes

Zwei Studien zur Geschichte des österreichischen Vetorechtes. 285 Ausübung der doppelten Gewalt im Interesse der Kirche und der Ruhe Europas garantiert. Metternich wird nicht müde, zu betonen, daß beide, die Interessen der Kirche und die der sozialen Ordnung, an dem Resultat der Papstwahl gleich beteiligt seien. ,,En un mot: c’est un bon Pape que nous voulons.“ Wir sind überzeugt, fügte er hinzu, daß „un bon pape“, ein wahrhaft aufgeklärter Papst, immer auch zugleich ein „österreichischer“ Papst sein werde, da er ja nicht umhin können wird, die Bedeutung Österreichs als Beschützer der Kirche und der sozialen Ordnung zu erkennen. Noch in den Instruktionen, die am Ballhaus­platz für das Konklave von 1903 erteilt wurden, kam man auf die Formulierungen des Jahres 1823 zurück, die 1829 als die ständigen Grundsätze der österreichischen Regierung bezeichnet worden waren. Es ist wohl bekannt, daß das Pontifikat Gregors XVI. keineswegs unter allgemeiner Ergriffenheit im Mai 1846 seinem Ende entgegenging *)• Die ungewöhnlich große Anzahl bitterer Satiren auf das Regime, von denen viele sich in den Beständen des Wiener Staats­archivs befinden, legt Zeugnis von der Gärung ab, die sich des Kirchenstaates und besonders Roms bemächtigt hatte, wie ja auch der Anfang dieser Regierung in den Stürmen von 1831 von ähnlichen Spottversen begleitet gewesen war2). Aber 1846 kamen zu den gereimten anonymen Ausfällen, die zum guten Teil römische Priester und Mönche zu Verfassern haben mochten, noch die hämischen Äußerungen der Kardinäle selbst: „Questo sant’ uomo ci ha lasciato senza un bajocco, senza credito, senza uomini capaci, senza truppá e colla morale pubblica corotta“ 3). Das harmloseste unter den Schmähgedichten, berichtet der Botschafter, spielt auf Gregors beharrliche Abneigung an, den Bau von Eisenbahnen im Kirchenstaat zu gestatten: es führt den Papst, zum Himmel vom Erzengel Gabriel geleitet vor. Gregor findet die Reise etwas lang, worauf der Erzengel ihm entgegnet: „Aber erinnere Dich doch; Du wolltest ja nie etwas von Eisenbahnen wissen. Mit diesen wären wir natürlich rascher ans Ziel gekommen“ 4). Und dann gab es Parodien von Gebeten und geistlichen Liedern, in denen der verschiedene Papst, aber auch das Kardinalskolleg verhöhnt wurden: „Ut Pontificem optimum maximum extra Sacrum Collegium eligere digneris, Te rogamus, audi nos“, heißt es in einer Litanei, „da recitarsi durante il conclave nel 1846“ 5). Österreichischer Botschafter in Rom war damals Rudolf Graf Lützow, der die Monarchie schon bei den zwei letzten Konklaven vertreten hatte 6). Graf Lützow ver­körperte gewiß nicht das Beste und Höchste, wozu sich die österreichische Diplomatie unter Metternich zu erheben vermochte. Sein Geist und seine Haltung waren so starr wie sein Stil; an seinem Eifer, an seiner Ehrlichkeit konnte nicht gezweifelt werden. Der unendlich beweglichere und begabtere Prokesch erging sich schon 1832 in bitteren Klagen über den Botschafter, der aber auf seinem Posten verblieb, bis ihn die Revolution von 1848 im Mai von dort vertrieb 7). Nur Unkenntnis kann ihm oder dem Staatskanzler zum Vorwurf machen, daß sie durch deren Ausbruch überrascht worden seien; nach ihrer Über­zeugung war vielmehr die Revolution in Italien schon zu Ende 1846 Wirklichkeit geworden. Der Botschafter hatte die Entwicklung der Dinge seit mehreren Jahren mit äußerstem Mißtrauen verfolgt. Er sah Gefahr von allen Seiten und von allen Seiten vornehmlich Gefahr. q Eine gute Würdigung der politischen Bedeutung Gregors XVI. gibt Ghisalberti A. M. in seinem Aufsatz a. a. O. 2) Eine Probe davon aus dem Vatikanischen Archiv in meinem: Die Jugendzeit des Grafen Prokesch- Osten (Innsbruck 1938), 121 f. 3) Lützow, Lettre particuliére, 14. Juni 1846, Rome Varia 1847 (sic!); Bericht Rom, 10. Juni 1846. 4) Lettre particuliére, 14. Juni 1846, a. a. O. 5) Roma, Diversa 1847, StA. 6) Lützow begann am 28. Juni 1846 sein 20. Dienstjahr als Vertreter Österreichs in Rom, Bericht Rom, 28. Juni 1846, Nr. 37 A. 7) Die Personalakten über Rudolf Graf Lützow im StA. sind nicht aufschlußreich.

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