Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

VI. Kirchengeschichte - 63. Andreas Posch (Graz): Die deutsch-katholische Gemeinde in Wien

278 Posch, nichtbefugten Personen gehalten wurden. Solche Verbindungen sind keine Ehen im gesetzlichen Sinn, sondern müssen als Konkubinate gelten. Daher können sie nicht in ein Trauungsbuch eingetragen werden. Will der Magistrat solche illegale Verbindungen statistisch erfassen, so soll er dies im eigenen Wirkungskreise tun x). Die deutschkatholische Gemeinde führte nun sozusagen ein unterirdisches Dasein. Öffentlicher Gottesdienst war verboten, sie versammelten sich aber in Privathäusern. Ihre Taufen und Trauungen nahmen die Vorstände vor, die darüber auch Bescheinigungen ausstellten 2). Da ihnen alle Kulthandlungen untersagt waren, führte dies immer wieder zu Anzeigen, Hausdurchsuchungen und polizeilichen Vernehmungen. So erhält die Statt­halterei z. B. Mitteilung, daß im Haus „Auf der Windmühle“ Nr. 40 im 6. Bezirk bei dem aus Deutschland stammenden Reißzeugfabrikanten Winnheim, dem Bezirksvorsteher der Deutschkatholiken, solche Versammlungen stattfinden. Der Stadthauptmann Weiß- Starkenfels, von dem daraufhin ein Bericht ab verlangt wurde, berichtet, daß besagter Winnheim seinerzeit die „notgedrungene Selbstverteidigung der Deutschkatholiken“ unterzeichnet und deshalb wegen Verfassung und Verbreitung aufreizender Schriften zu 14 Tagen Polizeiarrest verurteilt worden sei. Seither wird er überwacht. Eine im Juni 1851 vorgenommene Hausdurchsuchung ergab nichts Belastendes. Er ist durch die Strafe eingeschüchtert, seine Mieterin und Haushälterin Eleonore Rauch, früher auch Deutsch­katholikin, ist seither „vom Irrpfad wieder zurückgekommen“ 3). Die Taufe der Deutschkatholiken hatte nur die Bedeutung der Aufnahme in die Gemeinde. Der katholische Sinn derselben war nicht festgehalten, wie dies die Taufansprachen der Vorsteher zeigen 4). Gegen die Behinderungen von Kulthandlungen beriefen sich die Deutschkatholiken auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit; auch abseits stehende Kreise mißbilligten in diesem Sinne die Schärfe der Maßnahmen des Stadthauptmanns Weiß- Starkenfels und wünschten, man möge die Weisungen dahin ändern, daß sie „nicht gegen Humanität und Billigkeit und gegen bereits erflossene Regierungserlässe verstoßen“ 5). Anderseits petitionierten katholische Bürger um völlige Unterdrückung der Sekte, wie der Stadthauptmann dem Innenminister von Bach meldet 6). Über den Zustand der Wiener Gemeinde in jener Zeit gibt ein Bericht des Stadt­hauptmanns vom 27. Juni 1851 an den Innenminister willkommenen Aufschluß. Seit der Konstituierung der deutschkatholischen Gemeinde ist keine wesentliche Änderung eingetreten. Es sind noch die gleichen Vorstände: Peßnegger, Fellner, Johann Kutschera, der Vorstand der Weberinnung Karl Bayer u. a. Bei Peßnegger wurde die Mitgliederliste gefunden. Danach zählt die Gemeinde gegen 6000 Mitglieder, besonders in den Vorstädten Wieden, Lerchenfeld, Margareten, Fünf haus, Sechshaus, Gumpendorf und Ottakring. Meist sind es Handwerker und Fabrikarbeiter. Seit dem im November 1850 mehrere bestraft wurden, hat die Agitation nachgelassen. Aber die kostenlose Spendung der Taufe, die geringen Leichenkosten und die Unterstützung bedürftiger Mitglieder aus der Vereinskasse erweist sich noch immer als wirksame Propaganda. Taufen und Trauungen werden in einer feierlichen Ansprache ohne jede andere Zeremonie gehalten, Leichen in aller Stille beerdigt. Die Deutschkatholiken hoffen auf Anerkennung nach Aufhebung des Belagerungszustandes. Fellner soll eine große Summe für den Bau eines Gotteshauses in Aussicht gestellt haben, sein Sohn und Peßnegger weilen jetzt (im Juni 1851) in London, wo sie mit Ronge konferieren. *) *) Erlaß der niederösterreichischen Statthalterei vom 16. Juni 1851. 2) WKZ. vom 29. Mai 1851. 3) Bericht des Stadthauptmanns an die Statthalterei vom 9. August 1851. 4) So der Bericht über eine Taufe in Reindorf, siehe WKZ. vom 12. August 1851. 5) Z. B. die Eingabe eines Herrn Eduard Fischer, Edlen von Röslerstamm an das Ministerium des Inneren vom 22. September 1851. ®) Petition vom 16. Juli 1851. Der Amtsvermerk bezeichnet den Anreger der Petition, Herrn Kargl, als „katholischen Ultra“.

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