Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
VI. Kirchengeschichte - 63. Andreas Posch (Graz): Die deutsch-katholische Gemeinde in Wien
Die deutsch-katholische Gemeinde in Wien. 277 Zeremonie zu unterbleiben habe. Dies löste einen Protest der Wiener Gemeinde aus, die dagegen unter Berufung auf die im Patent vom 4. März 1849 gewährte Gewissensfreiheit protestierte. Nun ging die Angelegenheit ans Militärgouvernement — noch stand ja Wien unter dem Ausnahmezustand — welches mit 22. September 1851 entschied, daß wegen der erwähnten Kulthandlungen zwar kein kriegsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden könne, doch seien die beteiligten Personen strenge zu überwachen und bei jedem Verstoß gegen die getroffenen Maßnahmen zu verhaften x). Zu Weiterungen führte die Frage der Begräbnisse von Deutschkatholiken. Nach der Weisung der niederösterreichischen Landesregierung sollten dieselben ohne Dazwischentreten der katholischen Pfarrgeistlichkeit in aller Stille und gegen die Anzeige an die betreffende politische Behörde stattfinden. Demgemäß lehnten die Pfarrer jede Beteiligung ab. Nun weigerte sich aber der Totengräber auf dem Schmelzer Friedhof, das Begräbnis ohne den pfarrlichen Totenzettel vorzunehmen, wie der Pfarrer von Schottenfeld, Urban Loritz, meldet 2). Nun wurden weitere Instanzen mit der Frage befaßt. Der Stadtphysikus Stuhlberger beantragt, man soll sich mit einer Anweisung des Totenbeschreibamtes begnügen. Dieses Amt soll auch die Gebühr für Grab und Totengräber einziehen. Die Geburts-, Trauungs- und Sterbefälle soll der Magistrat in eigene Verzeichnisse eintragen lassen. Der Magistrat stimmte dem nicht zu, sondern verlangte, die Pfarrer sollten angewiesen werden: 1. die Totenzettel auszustellen und hiebei die Gebühren für Grab und Totengräber einzuheben, 2. einen Totengräber oder eine andere passende Person zur Überwachung der Leichenfeier abzuordnen und 3. die Geburts-, Trauungs- und Sterbefälle in die Pfarrmatriken einzutragen. Der Magistrat verlangt diesbezügliche Weisungen an die Pfarrer 3). Die Statthalterei holt die Meinung des Konsistoriums ein und diese spricht sich gegen das Verlangen des Bürgermeisteramtes aus. ,,Die Verbitterung und rohe Heftigkeit, welchen die katholischen Pfarrer bei jedem Anlaß von diesen Sektierern ausgesetzt sind, würde vermehrt und erhöht werden, wenn die Pfarrer von ihnen Geldbeträge einheben müßten. Zur Überwachung der Leichenbegängnisse sind Totengräber oder Friedhofwärter nicht geeignet, sie ermangeln der Autorität. Die Pfarrer müßten dann zudem eventuell Anzeige machen, falls die Vorschriften betreffs der Beerdigungen übertreten würden und das hätte neue Verunglimpfungen zur Folge. Das Verlangen des Magistrates auf Eintragung der Geburts-, Trauungs- und Sterbefälle in die Pfarrmatriken geht von der irrigen Anschauung aus, diese Bücher seien seit dem Patent Kaiser Josephs II. 1784 Zivilstandesregister, in Wahrheit aber sind sie nach wie vor Kirchenbücher, wenn ihnen durch dieses Patent auch ein öffentlich-rechtlicher Charakter verliehen wurde 4). Die Statthalterei tritt in diesen zwischen Magistrat und Konsistorium strittigen Fragen betreffs der Begräbnisse der Ansicht des Konsistoriums bei. Man soll den katholischen Priestern jede Berührung mit den Deutschkatholiken ersparen. Das Totenbeschreibamt soll Anweisungen für die Begräbnisse ausstellen, den Friedhof bestimmen und die Taxe für das Grab einheben. Die Entlohnung des Totengräbers haben die Parteien bei der Beerdigung unmittelbar zu besorgen. Hingegen werden die katholischen Pfarrer verpflichtet, die Geburts- und Sterbefälle von Deutschkatholiken in die Pfarrmatriken einzutragen, weil dieselben seit dem erwähnten Patent keine reinen Kirchenbücher mehr sind, sondern öffentlich-rechtlichen Charakter tragen. Die Ortsobrigkeiten, sowie Hebammen und Totengräber sind anzuweisen, jeden Geburts- oder Sterbefall von Deutschkatholiken dem Pfarrer zu melden. Anders verhält es sich mit den Trauungen von Deutschkatholiken, die von *) *) Weisung des Militärgouvernements an den Stadthauptmann von Wien und die Bezirkskommissäre vom 17. Oktober 1851. 2) Anzeige des Pfarrers Loritz an das Oberkammeramt vom 10. Jänner 1851. 3) Zuschrift des Bürgermeisters an die Statthalterei vom 24. April 1851, Aktendes niederösterreichischen Landesarchivs, ZI. 18674 und 15459 ex 1851. 4) Zuschrift des Konsistoriums an die Statthalterei vom 25. Mai 1851.