Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)

I. Archiv-Wissenschaften - 4. Anton Largiadér (Zürich): Schweizerisches Archivwesen. Ein Überblick

Schweizerisches Archivwesen. 27 Ein eigentümliches Schicksal war dem Archiv des ehemaligen Fürstbistums Basel seit der Revolutionierung der jurassischen Gebiete 1792 beschieden x). Das Archiv kam vorüber­gehend nach Wien, kehrte wieder in die westlichen Gebiete zurück, und heute liegen die Archivalien in den Staatsarchiven Bern und Basel und im Badischen Generallandesarchiv in Karlsruhe. Diese Lagerung ist das Ergebnis vielfacher Verschiebungen und hat die Bestände des Bistums und des Domkapitels auseinandergerissen. Einsiedeln bewahrt von den noch bestehenden Benediktinerabteien wohl den imposantesten Bestand an Archivgut auf2). Sein Archiv setzt mit dem Diplom Ottos I., ausgestellt in Frankfurt a.M. den 27. Oktober 947, ein, wobei dem Kloster das Wahlrecht des Abtes und die Immunität verliehen wurden. Die Reihe der kaiserlichen Diplome für das später als Fürstabtei bezeichnete Kloster geht bis zu einer Urkunde von Kaiser Franz II. vom Jahre 1794. Wie in St. Gallen das gleiche Bild, daß die Papsturkunden erst in späterer Zeit einsetzen, mit dem Stück eines Gegenpapstes von 1164; es prägt sich darin die Stellung der königlichen Klöster aus, die erst im 12. oder 13. Jahrhundert in den Einflußbereich des Papsttums traten. Mit der Ausdehnung des Grundbesitzes ergab sich die Gliederung der Schenkungs- und Verwaltungsurkunden nach den lokalen Gesichtspunkten der klösterlichen Administration. Seit dem 13. Jahrhundert ist auch die Reihe der Urbare vorhanden. Im 17. Jahrhundert erfolgt eine durchgreifende Neuordnung des Stiftsarchivs und die teilweise Drucklegung der Urkunden, wie sie auch St. Gallen und später Wettingen Vornahmen. Wir müssen uns aber bewußt bleiben, daß bei diesem Unternehmen praktische Rücksichten der Verwaltung und der juristischen Beweisführung im Vordergrund standen, nicht in erster Linie wissenschaft­liche Interessen. Im 18. Jahrhundert wurde in 55 handschriftlichen Bänden ein Repertorium der Akten angelegt. Das 19. und 20. Jahrhundert haben in der Fürsorge für das Archiv im bisherigen Sinne weitergearbeitet, und vor allem sind seine Bestände für wissenschaftliche Veröffentlichungen herangezogen worden. Nach der Aufhebung des Benediktinerklosters Rheinau in den 1860er Jahren wurden die Archivalien der Spiritualia dieses Klosters Ein­siedeln übergeben, während die Archivalien der Temporalia ans Staatsarchiv Zürich über­gingen. Was die Geschichte und die Bestände der übrigen noch erhaltenen Stiftsarchive wie auch der säkularisierten Klosterarchive betrifft (sie sind heute im wesentlichen an die kanto­nalen Staatsarchive übergegangen), verweise ich einerseits auf die allerdings nicht vollständige Zusammenstellung im „Minerva-Handbuch“ von 1932, anderseits auf die einzelnen Archiv­geschichten in Albert Brackmanns „Helvetia Pontificia“ von 1927. Man möchte wünschen, daß über sämtliche Fonds der schweizerischen Kloster- und Bistumsarchive solche Unter­suchungen angestellt würden. Weltliche Archive der älteren Zeit. Jüngeren Datums sind die archivalischen Bestände der großen Dynastengeschlechter, die auf Schweizer Boden regiert haben, etwa der Grafen von Kyburg und der Grafen von Habsburg, der Grafen, bzw. Herzoge von Savoyen, deren Archiv- und Kanzleigeschichte nur zum Teil klargestellt ist. Von dem Archiv der ältesten Linie der Grafen von Nellenburg, ausgestorben 1169, wird mit Recht angenommen, es sei seinerzeit dem Kloster Allerheiligen in Schaff hausen M Eine ausführliche Geschichte des alten Archivs des Bistums Basel ist noch nicht geschrieben. Es sei einstweilen auf folgende kürzere Mitteilungen verwiesen: Rudolf Wackernagel, Das Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt, Basel 1892, S. 29. — Heinrich Türler, Inventare I, S. 46. — Rudolf Wacker­nagel, Inventare I, S. 19.— Rudolf Wackernagel, Repertorium des Staatsarchivs zu Basel, Basel 1904, S. XXIX—XXX. — Albert Brackmann, Papsturkunden der Schweiz ... S. 421—422. — Albert Brack­mann, Helvetia Pontificia, S. 218—219. 2) P. Gail Morel, Die Regesten der Benediktinerabtei Einsiedeln, Chur 1848, S. VII—VIII. — P. Rudolf Henggeier, Tausend Jahre Stiftsarchiv, Einsiedeln 1947.

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