Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)
I. Archiv-Wissenschaften - 4. Anton Largiadér (Zürich): Schweizerisches Archivwesen. Ein Überblick
24 Largiadér, liegenden Festschrift wendet sich der Abriß vor allem auch an ausländische Fachgenossen, denen ja beim Besuch schweizerischer Archive mancherlei Eigentümlichkeiten auf fallen, die ihnen kaum erklärlich sind und die eines Hinweises auf das geschichtliche Werden bedürfen. Der Verfasser möchte mit diesem Beitrag zur 200-Jahr-Feier des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien hervorheben, wie enge die Fäden sind, die die schweizerische Geschichtsforschung mit den Archiven Österreichs verbinden. Das Werk des Schweizer Historikers Rudolf Thommen, „Urkunden zur Schweizer Geschichte aus österreichischen Archiven“ (5 Bände, Basel 1899—1935), ist ein bleibendes Zeugnis für den reichen Inhalt österreichischer Archive an Dokumenten, die den Forschern unseres Landes zur Hand sein müssen. Zudem repräsentiert Thommen als ehemaliger Schüler des Institutes für österreichische Geschichtsforschung in Wien die Verbindung mit einem Institut, von welchem so manche Anregung auf die Schweiz ausstrahlte. War der Standort der Dokumente in österreichischen Archiven für die Auswahl maßgebend, so kann umgekehrt darauf hingewiesen werden, daß ein beträchtlicher Teil der Schweizer Archive habsburgische Urkunden enthalten — wiederum ein Zeugnis der geschichtlichen Entwicklung. Die Urkundenbücher und Regestenwerke von Zürich, St. Gallen, Glarus, Graubünden, Thurgau, Schaff hausen, Aargau, Basel, Bern sowie der Innerschweiz (Kantone Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und Luzern) und der heute noch bestehenden Benediktinerklöster Einsiedeln und Engelberg sowie des Chorherrenstiftes Beromünster geben von diesen Archivbeständen Rechenschaft. Auch an den Begründer der kritischen Geschichtsforschung in der Schweiz, den Luzerner Professor Josef Eutych Kopp (1793—1861), soll erinnert werden, dessen Hauptwerk „Geschichte der eidgenössischen Bünde“ (5 Bände, Leipzig, Berlin, Luzern, Basel 1845—1882) in enger Verbindung mit österreichischen Historikern entstanden ist x). Und als Theodor von Sickel an der Ausgabe der Diplomata der Monumenta Germaniae Historica arbeitete, führte ihn und seine Schüler der Weg oft in die Schweiz, und es entstanden die freundschaftlichen Beziehungen zu Hermann Wartmann, Georg von Wyss und Gerold Meyer von Knonau, um nur wenige Namen zu nennen 2). In der neuesten Zeit sind die „Regesta Habsburgica“ ein 3. Bd., 2 Teile, Aarau 1917 und 1937: Die Inventare der aargauischen Stadtarchive, vgl. unten Kanton Aargau. Ich zitiere die Sammlung im folgenden als „Inventare“. Theodor Sickel, Über Kaiserurkunden in der Schweiz. Ein Reisebericht. Zürich 1877. Handelt hauptsächlich von den Königs- und Kaiserurkunden von 911—1002 und charakterisiert damit die Bedeutung der besuchten Archive: Stiftsarchiv St. Gallen, Staatsarchiv St. Gallen, Bischöfliches Archiv in Chur, Stiftsarchiv Disentis, Staatsarchiv Luzern, Staatsarchiv Bern, Staatsarchiv des Kantons Waadt in Lausanne, Staatsarchiv Schaffhausen, Stiftsarchiv Einsiedeln, Staatsarchiv Zürich, Stadtarchiv Zürich. — Albert Brackmann, Papsturkunden der Schweiz. Dritter Bericht der Wedekindschen Preisstiftung für deutsche Geschichte. Mit kritischen Exkursen von Paul Kehr und Albert Brackmann. In: Nachrichten der K. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-historische Klasse, Göttingen 1904, S. 417—517. Befaßt sich vor allem mit der Überlieferung der älteren Papsturkunden in den schweizerischen Archiven. „Die Klosterarchive haben zum Teil ihre Dokumente trotz aller politischen Umwälzungen erhalten können, viele aber sind an die Staatsarchive gekommen. Die Unterbringung dieser Archive ist zum Teil mangelhaft und das Gros der Schweizer Staatsarchive befindet sich auch heute noch in herzlich schlechten äußeren V erhältnissen. ‘ ‘ Regesta Pontificum Romanorum. Germania Pontificia vol. II pars II. HELVETIA PONTIFICIA. Von Albert Brackmann, Berlin 1927. Brackmann gibt für jeden der von ihm behandelten schweizerischen Urkundenempfänger die Geschichte seines Archivs. b Vgl. Alois Liitolf, Joseph Eutych Kopp als Professor, Dichter, Staatsmann und Historiker, Luzern 1868. — Gerold Meyer von Knonau, Joseph Eutych Kopp. In: Allgemeine Deutsche Biographie, 16. Bd., Leipzig 1882, S. 685—690. 2) Theodor von Sickel, Römische Erinnerungen. Nebst ergänzenden Briefen und Aktenstücken herausgegeben von Leo Santifaller, Wien 1947. — Über Georg von Wyss (1816—1893) vgl. Gerold Meyer von Knonau, Neujahrsblatt des Waisenhauses in Zürich 1895—1896; über Hermann Wartmann (1835—1929) vgl. Oskar Fässler und Hermann Escher, Neujahrsblatt, herausgegeben vom Historischen Verein des Kantons St. Gallen 1936—1937; über Gerold Meyer von Knonau (1843—1931) vgl. Hermann Escher, Neujahrsblatt des Waisenhauses in Zürich 1933.