Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)

I. Archiv-Wissenschaften - 10. Tihamér Vanyó (Pannonhalma): Das Archiv der Konsistorialkongregation in Rom und die kirchlichen Zustände Ungarns in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts

178 Vanyó, Kraft der Urnatur, große Triebhaftigkeit, mächtige Leidenschaften, Kampflust, starke und zugleich empfindliche Nerven, Tatkraft von kühnem Schwung, zähe Ausdauer und tiefe Gefühlswelt aus diesem äußerst charakteristischen Gesicht. Es zeugt von einem entschlos­senen, kompromißlosen, an seinen Plänen hartnäckig festhaltenden, nach eigenem Kopf denkenden und mit eigenen Händen handelnden Willensmenschen. Diese nach auswärts strebenden, die Gestaltung des Lebens und sich selbst Geltung fordernden geistigen Anlagen beseelt nur ein einziger Zweck und einziges Berufsbewußtsein: die Verbreitung des Glaubens. Wir können in Padányi Biró nicht nur den gebieterischen, keinen Widerspruch duldenden Großherrn, ,,den Hammer und die Geißel der Protestanten“, sondern auch den Wander­apostel der unwegsamen Pfade und versteckten Dörflein, den unermüdlichen Prediger, den von glühendem Eifer durchdrungenen Gründer und Organisator der Gesellschaft der Heiligen Dreifaltigkeit, den ergebensten Verehrer der hl. Jungfrau (als Patrona Hungáriáé) und der ungarischen Nationalheiligen wahrnehmen. Die warme Menschlichkeit, die über­natürlichen Grundlagen seines Lebenswerkes lassen sich gerade auf diesem Gebiet am besten erfassen. Die Ergebnisse seiner Tätigkeit in der Diözese Veszprém wiegen mit der Arbeit wenigstens eines Jahrhunderts auf. Er hat — unter Mitwirkung anderer — 201 Kirchen und Kapellen gegründet, neu gebaut und reichlich ausgestattet. 43 Kirchen konnte er von den Protestanten zurückerobern und in 27 Gemeinden katholische Lehrer einsetzen. Er hat 3774 Protestanten, unter ihnen auch sechs Pastoren, in die Kirche zurückgeführt. Während der 17 Jahre seiner Regierung erwies er sich als der beste Organisator unter den ungarischen Bischöfen. Sein Leben und seinen Charakter haben die bitteren Leiden und Enttäuschungen, die er in der zweiten Hälfte seines Bistums erdulden mußte, gekröntJ). Wesentlich anders ist die Persönlichkeit und Wirksamkeit von Graf Franz Zichy geartet, der den Bischofstuhl von Győr 40 Jahre lang besaß (1743—83). Er lebte ganz für seine Seele und Diözese und war eine stille, milde und sehr reine Priesterseele. Jährlich zweimal hielt er Exerzitien von je zehn Tagen und hat sich täglich eine Stunde lang — in Betrachtung und Gebet vertieft — zur hl. Messe vorbereitet. Sein Verhältnis zu den Priestern und Gläubigen war sehr liebevoll. Er ließ sich Andersgläubigen gegenüber nie zur Gewalt­samkeit hinreißen und befahl auch seinen Priestern streng, die gesetzlichen Schranken auf diesem Gebiet nie zu überschreiten. Vielmehr sollten sie die Seelen durch gutes Beispiel und sanfte Überredung gewinnen. Auf die Armen verwendete er mehr als 200.000 Gulden. Sein Vermögen haben die Zeitgenossen „Gottes Meierhof“ und „Besitz der Armen“ genannt. Die sechs Liminaberichte sind lebendige Beweise seiner Pflichterfüllung. Durch sie nimmt er unter sämtlichen ungarländischen Bischöfen zwischen den Jahren 1600 und 1850 den ersten Platz ein. Nur Johann Jesich, Bischof von Zeng-Modrus (1789—1833), kann in dieser Hinsicht neben ihn gestellt werden. Seine großzügigen Kirchen-, Pfarr- sowie andere Bauten nahmen über 600.000 Gulden in Anspruch 1 2). Der für diese Arbeit bemessene Raum macht uns die Fortsetzung der persönlichen Bekanntmachung unserer Kirchenfürsten nicht möglich. Es gab unter ihnen naturgemäß auch weniger hervorragende, durch mittelmäßige Eigenschaften und schwächeres Arbeitstempo gekennzeichnete, ja sogar im Rufe eines Josephinisten oder Freimaurers stehen­den Prälaten. Baron Franz Splényi, Bischof von Vác (1788—95), und Kardinal Franz Herzan, der spätere Bischof von Szombathely (1800—04), werden als Josephinisten, Maxi­milian Ver ho vácz, Bischof von Zágráb (1787—1827), wird als Josephinist und Freimaurer 1) Das Leben und Wirken des großen Bischofs wurde geschichtlich in der tüchtigen Monographie von Josef Pehm (Mindszenty) verewigt: Padányi Biró Márton veszprémi püspök élete és kora (Leben und Zeit von Martin Padányi Biró). Zalaegerszeg, 1934. 2) Piszker, Olivér: Barokk világ Györegyházmegyében Zichy Ferenc gróf püspöksége idején (Barockleben in der Diözese Győr zur Zeit des Bistums von Graf Franz Zichy). Pannonhalma, 1933. 8—17. — Die Liminaberichte siehe bei Vanyó, a. a. O. 142—53.

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