Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)

I. Archiv-Wissenschaften - 10. Tihamér Vanyó (Pannonhalma): Das Archiv der Konsistorialkongregation in Rom und die kirchlichen Zustände Ungarns in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts

174 Vanyó, Székesfehérvár, und Franz Berchtoldt, Bischof von Besztercebánya, am nächsten. Der letztere hielt das Plazet wegen der stilistischen Ausdrücke sogar in den dogmatischen Bullen — ob sie nämlich ,,mit den ungarischen Gebräuchen, Freiheiten und Privilegien überein­stimmen“— für notwendig. Über die Einstellung der Verbindungen der religiösen Orden mit Rom und über ihre Unterwerfung unter die bischöfliche Gerichtsbarkeit haben die Mitglieder unseres Episkopats gemeint, daß der Herrscher diese Frage nur durch un­mittelbare Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl entscheiden könne. Die von Joseph II. ver­botenen zwei päpstlichen Bullen, Coena Domini, welche die dem Papst reservierten Fälle und so auch die Einschränkung der bischöflichen Gewalt enthält, ferner Unigenitus, die den Jansenismus verurteilt, haben auch den ungarischen Episkopat beschäftigt. Die Unigenitus- Bulle hielten unsere Bischöfe in ihrer gegenseitigen Korrespondenz ausnahmslos als dog­matisch, auch in Ungarn angenommen und unantastbar. Bloß Ignaz Nagy, Bischof von Székesfehérvár, stellt ihre allgemeine Gültigkeit und die Tatsache ihrer in Ungarn erfolgten Verkündigung in Frage. Die Coena-Domini-Bulle aber, die Berchtoldt, Bischof von Besztercebánya, für disziplinär und in der Esztergomer Erzdiözese nicht angenommen erklärte, nimmt er in seinen Schutz. Die kaiserliche Verbotsverordnung wurde übrigens von keiner der beiden Bullen durch unsere Bischöfe publiziert, da die Coena Domini in den Ritualbüchern nicht enthalten, die Unigenitus — wie auch Quesnels Lehre — in Ungarn unbekannt sei. Mit der Wiener Buchzensur waren unsere Bischöfe nicht zufrieden, teils deshalb, weil dort jansenistische Bücher offen empfohlen wurden, teils darum, weil sie das Urteil einer ausländischen Behörde nicht ohne weiteres annehmen können. Sie halten es für ihre Pflicht, die Gläubigen vor solchen Büchern zu warnen. Die oben geschilderte, durch Besprechungen und schriftlichen Verkehr ausgebildete Stellung­nahme des ungarischen Episkopats — mit Übergehung der von einigen Seiten auf­tauchenden abweichenden Meinungen — hat Fürstprimas Josef Batthyány mit dem Datum vom 12. Oktober 1781 beim Herrscher eingereicht und im Jahre 1782 auch im Druck mitgeteilt. Dieser Schritt brachte aber keinen Erfolg x). Zur Einschränkung des päpst­lichen Einflusses schrieb der Kaiser unseren Bischöfen einen neuen Eid vor, den sie vor der römischen Bekräftigung zu leisten hatten. Sie haben aber diesen nicht angenommen, da er einen fast blinden Gehorsam für den Herrscher und seine Verordnungen forderte. Fürstprimas Batthyány bot alles Mögliche zur Änderung der Verfügung auf und diesmal — ausnahmsweise — mit Erfolg1 2). Über die selbstbewußte Haltung des ungarischen Klerus schreibt der französische Gesandte in Wien am 30. Oktober 1781 folgendes: ,,Le Clergé est dans un état violent de fermentation. On s’attend que celui d’Autriche et de Boheme se soumettra a la volonté de l’Empereur; on ne páráit pás erőire que le Clergé de Hongrie marque la mérne docilité.“ In dem Bericht des preußischen Ge­sandten vom 3. April 1782 steht — allerdings mit einer allzu äußerlichen und protestantisch gefärbten Auffassung — folgendes: ,,Le point du pouvoir épiscopal est celui qui répugne le plus au Pape. Les Evéques de Hongrie répugnent eux-mémes a cette autorité que l’Empereur veut leur donner, craignant que n’ayant plus d’appui a Rome, ils finiront par devenir de simples curés“3). Nach der Erörterung der gemeinsamen Kundgebungen des ungarischen Episkopats kommen wir kurz zur Person der einzelnen Bischöfe. Die Mehrzahl unserer Prälaten wurde im Ausland, zumeist in Rom, ausgebildet. In dieser Hinsicht stimmen sie mit den Bischöfen der Erbländer überein. Gesellschaftlich stammen gerade ihre vorzüglichsten 1) Über die Einzelheiten der Besprechungen und Korrespondenz vgl. Marczali, a. a. O. II. 62—64, 68—70, 76—78. — Die Eingabe von Batthyány siehe bei Katona, Stephanus: Hist, critica regum Hungáriáé. XL. Bd. 92—103. Budae, 1810. 2) Die zweierlei Texte siehe in ungarischer Übersetzung bei Perémy, a. a. O. 52—54. 3) Mitrofanov, a. a. O. II. 7471, 7462.

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