Oskar Regele: Ergänzungsband 1. Der österreichische Hofkriegsrat 1556-1848 (1949)

Einleitung

12 die Befehlshaber des Heeres von ihm abhängig waren, oft nachteilig und hemmend auf die Kriegführung... So wird also eine ganz oberflächliche und unrichtige Charakterisierung des Hofkriegs­rates — der niemals Oberkommando war und auch nie „aufgehoben“ wurde — von den Lexikas übernommen und mit jeder Neuauflage unbérichtigt weiterverbreitet. Dabei stand seit 1912 das „Handbuch für Heer und Flotten“ von Alten zur Verfügung, das in seinem 4. Band über den Hofkriegsrat berichtet: Die Klagen über den verhängnisvollen Einfluß des Hofkriegsrates sind so alt wie er selbst .... Trotzdem darf man über die Tätig­keit des Hofkriegsrates, der bis 1742 sogar die Orientpolitik der habsburgischen Länder zu leiten hatte, nicht ohne weiteres den Stab brechen; denn er war in seinen Beschlüssen stets unfrei und besonders in finanzieller Hinsicht von der Hofkammer abhängig. Größere Schuld dürfte den Generalenbeizumessensein,diesichan die vom H. ausgearbeiteten Operations­entwürfe — nicht Befehle — anklammerten, wenn es ihnen an eigenen Gedanken fehlte.“ Es mangelt keineswegs an brauchbaren Unterlagen für eine richtige Beurteilung des Hofkriegsrates, doch sind diese meist umfangreiche Geschichts- und ausgesprochene Fach­werke, die der breiteren Öffentlichkeit nicht zugänglich sind und aus denen erst die näheren Einzelheiten über den Hofkriegsrat mühsam herausgeschält werden müssen. Wer sich dieser Arbeit nicht unterzieht, darf allerdings kein Urteil über den Hofkriegsrat abgeben oder er läuft Gefahr, als unwissenschaftlich zu gelten. Eine umfassende und eingehende Darstellung des Hofkriegsrates, „die ja noch erst von kundiger Hand geschrieben werden soll“ (Ed. Wertheimer), gibt es bisher nicht und „wird auch nicht sobald bewältigt werden“. Eine solche Arbeit erforderte viele Jahre und einen ganzen Bearbeiterstab, denn die Geschichte des österreichischen Hofkriegsrates ist nicht weniger als 300 Jahre europäische und Weltgeschichte von der Mitte des 16. Jahr­hunderts, da es noch keine stehenden Heere gegeben hat, bis zu Radetzky’s ersten Siegen im Jahre 1848, ist Geschichte von Jütland bis Marokko, von Madrid bis Syrien und bis zum Njemen und Pruth im Osten. Die Organisation und Arbeitsweise des Hofkriegsrates sind hinreichend aufgeklärt und dargestellt, sein tatsächlicher Einfluß auf die Heerführung ist jedoch nur gelegentlich in Feldzugsdarstellungen angedeutet, nirgends aber herausgearbeitet. Ansonsten begnügte man sich zumeist mit einigen wenigen Zeilen, u. z. gewöhnlich in absprechender Art und so manche Legenden füllen außerdem Geschichts-, Lehr- und Schul­bücher. Unter den heutigen Umständen kann ein erschöpfendes Werk über den Hofkriegsrat nicht entstehen. Um so angezeigter erscheint deshalb eine weniger umfangreiche Arbeit, die einerseits durch gerechte Verteilung von Licht und Schatten dem vielverkannten Hof­kriegsrat zu einer zutreffenden Beurteilung verhelfen, anderseits durch eine vorläufige Gesamt­betrachtung des Problems die Grundlage für eine spätere Forschung schaffen soll. 12 /

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