Oskar Regele: Ergänzungsband 1. Der österreichische Hofkriegsrat 1556-1848 (1949)
Einleitung
EINLEITUNG. „Unter den Institutionen, welche mit so manchen historischen Ereignissen und Persönlichkeiten das Schicksal teilen, für alles verantwortlich gemacht zu werden, was sich Generationen hindurch in dem Entwicklungsprozesse eines Volkes Widerwärtiges ereignete, ist der Wiener Hofkriegsrat unbestritten diejenige, welche sich der Berücksichtigung aller Chronisten und Historiker in nahezu unbegrenzter Ausdehnung erfreut. Und ob auch mit Recht ? Um diese Frage endgültig zu beantworten, müßte vorerst die Riesenaufgabe gelöst sein: aus dem gesamten Aktenmateriale von mehr als drei Jahrhunderten das Wirken des Hofkriegsrates zusammenzufassen — die Verhältnisse klarzulegen, die sein Handeln bestimmten — und aus all den vielfach verschlungenen Fäden, welche die souveränen Moleküle des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation mit den habsburgischen Landen und Interessen verknüpften, ein übersichtliches Bild zu schaffen. Niemand noch hat sich an dieses Problem gewagt; es wird auch nicht so bald bewältigt werden. Das Verdikt ist aber dessenungeachtet längst schon vorweg gefällt und in sonst seltener Übereinstimmung trifft hier der vaterländische Pessimismus, mit dem nur allzu oft kritiklosen auswärtigen Urteile zusammen: Alles Kriegsunglück während vierthalb- hundert Jahren fällt dem Hofkriegsrate zur Last, — alles, was in demselben Zeiträume sich Günstiges ereignete, geschah — trotz ihm!“ *) Man könnte keine treffenderen Worte an die Spitze der vorliegenden Arbeit über den österreichischen Hofkriegsrat stellen, als die eben angeführten. Es gibt fast keine Institution des bald tausendjährigen Österreichs, die im Allgemeinbewußtsein so verzerrt fortlebt wie der Hofkriegsrat, die auch in gebildeten Kreisen häufig falsch gesehen wird und deren Ruf ein schon beinahe sprichwörtlich ungünstiger ist. Der Hofkriegsrat stellt sich meist als eine Art Hofkamarilla, als ein Produkt von Unfähigkeit und bürokratischer Hemmung dar und die Schuld an verlorenen Schlachten oder weniger glücklich geführten Feldzügen wird unnachdenklich dem Hofkriegsrat angelastet, der die Feldherren systematisch behindert und um wohlverdiente Erfolge gebracht haben soll. Einen recht bemerkenswerten Beitrag zur Beurteilung des nach Kretschmayr „vielgeschmähten“ Hofkriegsrates gibt ein flüchtiger Blick in nur einige Nachschlagwerke: „Meyers Konversations-Lexikon“, 1897, 8. Band, schreibt: „Hofkriegsrat... leitete auch die Tätigkeit des Heeres, was namentlich im Felde durch die Abhängigkeit, in der die Befehlshaber vom H. standen, sich oft auf nachteilige Weise fühlbar machte . . . bis nicht zum wenigsten seine allgemeine Unbeliebtheit . . . die Aufhebung. . . herbeiführte.“ „Der Große Brockhaus“, 1931, 8. Band: „Hofkriegsrat. . . wirkte bei der Schwerfälligkeit seines Geschäftsganges oft hemmend auf die kriegerischen Handlungen.“ „Der Große Herder“, 1933, 6. Band: „Hofkriegsrat. . . hatte auch das Oberkommando über das Feldheer, daher oft schwerfällig...“ „Meyers Lexikon“, 1938, 5. Band: „Hofkriegsrat... wirkte dadurch, daß er mit seiner schwerfälligen Geschäftsführung im Kriegsfälle auch das Oberkommando führte und 1) Marginalien zu dem Aufsatze: „Nikolaus Doxat, ein Offizier des Prinzen Eugenius und ein Opfer des damaligen Hofkriegsrates.“ in „Mitteilungen des k. k. Kriegsarchivs“ 1881, S. 239. 11