Az Eszterházy Károly Tanárképző Főiskola Tudományos Közleményei. 1990. Germanistiche Studien (Acta Academiae Paedagogicae Agriensis : Nova series ; Tom. 20)
Heinrich Heinrichsen, Lex et Gratia. Hartmanns von Aue Gregorius, zwischen Recht und Gesetz. Eine sprachliche Untersuchung
9 2.2. DIE VERSTÖSSE GEGEN DAS GESETZ Der Bereich der Verstösse gegen das Gesetz wird durch die Begriffe "missetat", "schulde" und "sünde" ausgedrückt. In einigen wenigen Fällen wird auch "meintat" {3971) bzw. "mein" (442,812} verwendet. Den zahlenmässig grössten Anteil am Bereich der Verstösse gegen das Gesetz bildet das Wortfeld zu "sünde": 47 mal taucht eine Formulierung auf, die diesem Oberbegriff angehört. Neunzehn Substantiv-, zwölf Adjektiv- und zwei Verbformen treten auf, ausserdem dreizehnmal die Bezeichnung "sündaere": auch hier lässt sich eine gewisse Ordnung erkennen. Im Prolog und in der Vorgeschichte treten jeweils sechs Wörter aus dem Wortfeld "sünde" auf. Die Schilderung von Gregors Klosterleben enthält eine einzige Erwähnung von "sünde" (1750), als er die Botschaft seiner Mutter liest. Wiederum sechsmal tritt eine Ableitung von "sünde" im Bericht über Gregors Zeit als Herrscher auf. Im nun folgenden Bericht über die Busszeit verdreifacht sich die Zahl der Erwähnungen von "sünde", wobei hier auch ein einzigen Mal die Bezeichnung "sündelos" auftritt. Im Epilog finden sich zwölf Erwähnungen des Sündekomplexes. Daraus, dass die "Sünde"-Verwendung in den letzten beiden Passagen am häufigsten ist und sich ausserdem diese Begriffe gegen Ende des Büsserdaseins erst kumulieren- von den siebzehn Erwähnungen des Feldes "sünde" finden sich zehn allein in den 11 9 Versen von 3571 bis 3690 -lässt sich ableiten, dass es sich hierbei nicht um Bezeichnungen für unmittelbare Verstösse gegen das Recht handelt, sondern dass Hartmann den Sünde-Wortschatz im Zusammenhang mit der "buoze" verwendet, ihn also busstheologisch auffasst. Sündig ist derjenige, der ein Unrecht begangen hat, im Sinne des Gesetzes schuldig ist. Der letzte Satz verweist bereits auf die übrigen beiden Wortgruppen, "missetat", bzw. die älteren Formen "meintat" und "meine", drücken alle die eigentlichen Verstösse gegen das Recht aus. Man müsste "missetat" ins Neuhochdeutsche mit "unrecht" übersetzen, d.h. der Missetäter verstösst gegen das göttliche Gesetz: er ist "schuldic". Das Wortfeld zu "schulde" ist relativ selten vertreten. Im ganzen achtmal treten Wörter daraus auf. In den Passagen, die Gregors Leben in der Kirche schildern, während des Inselaufenthaltes und im Epilog, fehlt der Begriff der Schuld gänzlich: nur im weltlichen Bereich ist es möglich, schuldig zu werden.