Az Eszterházy Károly Tanárképző Főiskola Tudományos Közleményei. 1990. Germanistiche Studien (Acta Academiae Paedagogicae Agriensis : Nova series ; Tom. 20)

Alexander von Pechinann (München), Zur politischen Theorie des späten Schelling

19 fortschreitet, sich entwickelt und darin zum Bewusstsein ihrer selbst kommt. Die Geschichte hat demnach für Hegel Anfang und Ende; sie erfüllt sich im Vernunftstaat, in welchem das Bewusstsein von der Freiheit aller zur Grundlage und zum Prinzip des Staates geworden ist; der Staat gilt als Verwirklichung der Vernunft, als göttliche Idee. Schellmgs Einwand ist nun, dass hier der Staat als ein Positives und als ein geschichtlich Letztes gefasst wird. Damit aber mutet Hegel dem Staat etwas zu, was dieser gar nicht erfüllen könne, nämlich die freie und zwangslose Vereinigung freier Menschen. Hegels Geschichtsmodell enthalte, dass die herrschaftslose Versöhnung oder, modern gesprochen: der herrschaftsfreie Diskurs real möglich sei. Diese Annahme aber sei theoretisch leere Schwärmerei und führe praktisch zur Auflösung jeder vernünftigen Ordnung und zur Herrschaft der Willkür; das Ende der Vernunft sei tatsächlich das Ende der Vernunft, Chaos oder Diktatur seien die Folge. Was so nur als blosse Behauptung erscheint, löst Schelling nun ein, indem er zwei Voraussetzungen benennt, die eine Geschichtstheorie vom Hegeischen Typ machen müsse: "Freiheit und Unschuld (seien) die einzige Bedingung"^ eines solchen idealen Vernunftstaates. Beides aber gehe in der Realität nicht zusammen; denn entweder befinde der Mensch sich im Stand der Unschuld, dann sei er zwar zur herrschaftsfreien Vereinigung mit anderen fähig, habe dann aber kein Bewusstsein seiner Freiheit, von seinem Ich- und Eigensein; oder aber der Mensch habe dieses Bewusstsein, dann könne er bestenfalls in diese Vereinigung mit anderen gezwungen werden, damit sei die Vereinigung jedoch keine freie mehr. Die Kontroverse spitzt sich im generellen Vorwurf Schellings zu, Hegel leugne das Böse in der Welt als ein eigenständiges Prinzip. Er stellt Hegel in die Reihe der naiven und flachen Fortschrittsoptimisten, die, wenn sie schon das Böse und Negative nicht leugnen, es doch in eine Triebkraft des dialektischen Fortschreitens zum Guten umfunktioniert hätten. Diesem Geschichtsoptimismus hält Schelling den in seiner "Freiheitsschrift" geäusserten Grundsatz entgegen, dass die Freiheit des Menschen erkauft sei durch seinen Abfall von Gott; diese Gottesferne aber sei das Böse, und dies der Verlust der Unschuld. Daher könne die Vereinigung freier Menschen in der Geschichte nur auf Zwang beruhen; der Staat sei und bleibe eine negative Zwangsanstalt, und die Versuche, ihn gleichsam zu humanisieren eine leere und hoffnungslose Utopie. Trotz seiner Gegnerschaft zur Idee des historischen Fortschritts wäre es unangemessen, Schelling nun als "Reaktionär" zu kennzeichnen; denn seine Fortschrittskritik wollte ja keine bestimmte, etwa die feudale Staatsverfassung verteidigen. Er war vielmehr konservativ in dem Sinn, dass das Wesen des Staates,

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