Az Eszterházy Károly Tanárképző Főiskola Tudományos Közleményei. 1993. Germanistische Studien. (Acta Academiae Paedagogicae Agriensis : Nova series ; Tom. 21)
Hipfl, Isolde: Das Schillerbild in ausgewáhlten Literaturgeschichten des Dritten Reiches
3. Josef Nadler Nadlers Literaturgeschichte erschien in ihren verschiedenen Auflagen sowohl vor 1933 als auch wáhrend der Naziherrschaft und auch noch nach 1945. Aus diesem Grund scheint ein Vergleich der Schiller-Darstellungen aus diesen drei unterschiedlichen politischen Epochen sinnvoll. Vorerst soil aber auf die Grundkonzeption und Forschungsmethodologie von Nadlers literaturgeschichtlicher Darstellung eingegangen werden. 3. 1. Methodologische Überlegungen Mit seiner Neuordnung der deutschen Literaturgeschichte nach stammesmafiigen und landschaftlichen Gesichtspunkten wollte Nadler den Beweis erbringen, dafl "Dichtung aus einem Abhángigkeitsverháltnis zur Herkunft des Dichters und dem Entstehungsort seines Werkes verstanden werden konnte." 1 Diese Hypothese würde vermutlich auch von modernen Literaturwissenschaftlem akzeptiert werden können, denn die Grundlagen einer sozioökonomischen bzw. psychologischen Literaturbetrachtung müssen von áhnlichen Überlegungen bestimmt sein. Der Hauptunterschied besteht nur in den verschiedenen wissenschaftlichen Forschungsrichtungen, die als Grundlage der Literaturkritik zur Verfügung stehen. Wáhrend gegenwártig (oder zumindest vor einigen Jahren) Freud, Marx, Weber oder Lacan als wissenschaftliche Ausgangsbasis dien(t)en, verwendet Nadler offensichtlich die Erkenntnisse der Yölkerkunde, Biologie und Rassenlehre. Von zentraler Bedeutung ist für ihn der Begriff des Stammes. Ein Stamm wird als "eine nicht weiter auflösbare, körperlichgeistig-seelische Einheit und Ganzheit" 2 definiert. Die kunstschaffenden Individuen sind die Reprasentanten des Stammescharakters; in diesen treten die entscheidenden Merkmale des Stammes "oft nach jahrhundertelangen Pausen, immer in der gleichen Art und nicht eigentlich historisch verwandelt" 3 hervor. Nadler teilt die deutschen Stámme in "Altstámme" (Alemannen, Frankén, Thüringer, Bayern), die ursprünglich germanisch war en, und in "Neustamme" (Meifiner Sachsen, Schlesier, Brandenburger, AltpreuBen), die aus der Vermischung mit den slawischen und baltischen Völkern entstanden sind, ein. 4 Von diesem Ansatz aus definiert er beispielsweise die Weimarer Klassik als "eine letzte Renaissance des Geists der römischen Antiké bei den Altstámmen." 5 Die berüchtigte 4. Auflage seiner Literaturgeschichte (1938—41) gliedert Nadler in 4 Bánde, die die Titel "Volk", "Geist", "Staat" und "Reich" tragen. Da Schiller im 2. Band behandelt wird, sollen im folgenden einige exemplarische 69