Az Eszterházy Károly Tanárképző Főiskola Tudományos Közleményei. 1993. Germanistische Studien. (Acta Academiae Paedagogicae Agriensis : Nova series ; Tom. 21)

Heinrichsen, Heinrich: Literaturwissenschafi und Psycholinguistische Aspekte zur Interpretation von Lessings "Nathan der Weise"

Gründe durch ihren Tatsachenbericht Stück für Stück entkráftet. In der B8­ÁuBerung beendet Nathan seine Umdeutung. Er láBt Recha die Vorstellung, daB sie durch ein Wunder gerettet worden ist, 2 1 alléin den Begriff des "Wunders" hat er umgedeutet und damit ist der "Engelswahn" verschwunden. Recha reagiert fast überzeugt, mit einem rein formalen Einwand: "Mein Vater, wenn ich irr, Ihr wiBt, ich irre Nicht gerne." Diesen Einwand pariért Nathan durch eine sofortige Klarstellung der gegenseitigen Beziehung: sein Ziel ist es nicht, Recha einen Irrtum nachzuweisen: er ist ihr Lehrer. Nach dieser Umdeutung von K7 setzt Nathan noch einmal bei der Umdeutung des Wunders an. Erst danach geht er auf Dajas Ausspruch ein, die Rechas Wahn verteidigen will. Ihr Argument, es schade nichts, wenn Recha glaube, sie sei von einem Engel gerettet worden, pariért er in Bjq durch zwei Interventionen. In den Zeilen 293-296 benutzt er eine Metapher, die den Zuhörenden vermitteln soil, daB jeder meine, er sei etwas so besonderes, daB er auch auf ganz besondere Weise gerettet werden müsse. Von der Zeile 302 an baut er eine echte therapeutische Doppelbindung auf, indem er in dem engen háuslichen Kontext, ohne die Möglichkeit der Metakommunikation, eine paradoxé Situation entstehen láBt: die "Engelsgláubigen" habén keine Möglichkeit, dem Engel zu danken. Sie gewinnen selbst am meisten dabei, jedenfalls "weit mehr als er". So kommt es also dazu, daB die Menschen, die an jene Engelswunder glauben und dafür Gott danken wollen, umso dankbarer und selbstloser sie handeln, eigentlich ein immer gröBeres Mass an Egoismus und Undank praktizieren. Die höchste Form religiöser Dankbarkeit wáre damit gleichzeitig die Form, die am unzutreffendsten für die Abstattung des Dankes ist, da sie die höchste Form des Eigennutzes darstellt. Am Ende dieser therapeutischen Doppelbindungssituation zeigt Nathan den Ausweg aus der Paradoxie: handelt es sich bei dem Retter um einen Menschen, so kann ihm in der Form der Aufopferung selbstverstándlich gedankt werden, ja er wird den Dank als etwas sehr Schönes empfinden. 2 2 Doch auch diese massive Form therapeutischer Intervention hat keinen endgültigen Erfolg. Die K9 AuBerung zeigt an, daB Recha immer noch nicht völlig kuriert ist. Darauf antwortet Nathan in B\2 mit einer neuen Paradoxie: 36

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