Duna népe, 1937 (3. évfolyam, 4, 6, 10, 11. szám)
1937 / 11-12. szám - Középeurópakonferencia Prágában 1938-ban
Orgcm der Doneturaum-ldee wEmM m MIMM Staatspolmsche, sozial- und wirtschaftswissenschaftliche kulturelle Zeitschríft (DONAUVOLK) Redigiert von Dr. Attila Thewrewk-Pallaghy, Dr. Imre Riegler und Ottó Maria Fidelis (Wien) Verantw. Redacteur und Herausgeber: D. Imre Riegler Römischer Herbst, Europáischer Frühling Wenn in Mitteleuropa, in Westeuropa und weiter in Norden des Erdteils der Winter seinen Einzug hált und die ersten Schneeflocken an kahlen Báumen vorbeirieseln, um die Erde mit ihrem Leichentuch zu verhüllen, wenn der Winter unseres europáischen Missvergnügens beginnt, dann leuchtet in Rom noch immer jener herbstliche Himmel, der nirgends schöner ist als über barocken Kuppeln und Gárten. Ehemals pflegten die Söhne des Nordens um diese Zeit nacb Rom zu flüchten wie an einen váterlichen Herd, wáhrend man sicb in Mailand schon für die Opernsaison zu rüsten begann. Heute ist der Vergnügungsreiseverkehr gestört- Die Italiener sind nieht mehr das Volk, das ganz Európa mit Musikern und Strassenarbeitern versorgt, und die Nordeuropaer sehen in Italien nicht mehr die ewige Heimat ihrer Tráume. Die Jahreszeiten stimmen nicht zusammen. Der Winter und der Herbst verstehen einander nicht mehr, und über den Alpen, die dereinst „der Schutzwall waren dieses schönen Landes zwisehen Po und Apennin gegen die Wut der deutschen Barbárén", über dicsen Alpen Hegen heute die schweren Wolken der europáischen Zukunftsangst. Fragen wir einen Italiener nach den Ursachen dieser Wandlung, so werden wir überraschtem Unverstándnis begegnen: Italien, eine Führernation der Welt seit Jahrhunderten, nehme nichts als seine Führerstellung in Anspruch und begegne einem unbegreiflichen Misstrauen. Fragen wir einen Europáer, so wird er trauervoll erwidern: Wir habén dieses schönste Land unter europáischer Sonne immer geliebt; es war die Heimat unserer Kunst, die Wiege unserer Kultur; es war unser zweites Vaterland; und nun erhebt sich aus diesem Lande eine máchtige Hand, um uns an die Gurgel zu greifen; nie war eine Enttáuschung tiefer und schmerzlicher. So redet man aneinander vorbei. Wie will man dieses Missverstándnis kláren? Vielleicht ist eine historische Analogie gefállig? Die Franzosen wissen von einer analógén Enttáuschung zu erzáhlen. Wáhrend der ersten Hálfte des 19. Jahrhunderts war den Franzosen das Land jenseits des Rheins eine Seelenheimat. Die französische Literatur bezog von dort her ihre Romantik, die französische Wissenschaft ihre philosophischen Lehrmeister, die französischen Politiker ihre mahnenden Vorbilder altertümlicher Sittenstrenge. Aber plötzlich ánderte sich das Bild: Nicht mehr Goethe, Jean Paul und Novalis, nicht mehr Hegel und Ranke waren die Verkörperung des deutschen Geistes, sondern Bismarck und Moltke. Nur wer die Aufzeichnungen eines Renan, eines Taine aus der Zeit nach 1870 gelesen hat, vermag die schmerzliche Tiefe jener Enttáuschung zu ermessen. Stimmt die Analogie? Wie alle Analogien, stimmt sie und stimmt auch nicht. Nur die Wirkung" ist in beiden Fállen die gleiche. Aber die Ursachen liegen anders: Denn das Deutsohland von 1870 war tatsáchlich nicht mehr das Deutschland von 1840 und an die Stelle von Weimar und München waren Potsdam und die Montanindustrie des Westens getreten. Aber das Italien von 1937 darf mit Recht sagen, dass es nichts anderes getan hat, als zu den Traditionen von 1537 oder 1437 zurückzukehren. Die italienische Geschichte ist wahrhaft nicht arm an dramatischen Höhepunkten. Dennoch scheint in ihr das merkwürdige Gesetz zu walten, dass der tragische Knoten sich nicht schürzen will: Auf jeden Höhepunkt folgt eine langewáhrende marastische Zeit der Ermattung, die die Hoffnungen enttáuscht und das Land in «inen Zustand zurückversetzt, aus dem es sich befreit zu habén glaubte. So tritt Italien in der Renaissance des Quattrocento an die Spitze der europáischen Völker; alle Staaten und Nationen jenseits der Alpen leihen von den Italienern ihre Kultur und ihr Geld- Aber sie bleiben beides schuldig. 13