K. K. Zentral-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale 8. (Wien, 1911)

Wilhelm Franz: Archivfürsorge Österreichs in Italien

staatlichen Instituten zur Verwaltung' übergab, begnügte man sich hier mit der bloßen Einziehung. Die Archive der sämtlichen aufgehobenen Klöster von den Grenzen der Schweiz bis zu den Toren Roms, darunter die berühmten Archive von S. Ambrogio, Chiaravalle, Bobbio und Ravenna wurden auf diese Weise in Mailand ohne jede Ordnung und Sichtung aufgestellt. Dazu die ganze diplomatische Korrespondenz der Republik Venedig mit den auswärtigen Höfen und die Verwaltungsakten der österreichischen und französischen Regierung. Ein schier unübersehbares Material, untergebracht in unzulänglichen und zum Teil ungeeigneten Räumen, ohne entsprechende Fürsorge. Die geheime Hof- und Staatskanzlei war überzeugt, daß in diesem Vorgehen der französischen Regierung Ab­sicht gelegen habe. Es sei unter dieser Staatsverwaltung in Frankreich und Italien Regierungsmaxime gewesen, neben dem Neuen durchaus nichts Altes mehr bestehen zu lassen. Wie hätten da diese Archive, diese Sakrarien für ehe­malige Verwaltung, ehrwürdige Rechte und wohlerworbene Freiheiten auf Schonung und Pflege rechnen können! Unter dem Vorwände, Zentralinstitute zu schaffen, habe man die verschiedenen Archive in heilloser Verwirrung zusammen­geworfen und die indigesta moles ohne Fürsorge liegen gelassen. Auf diese Schätze wurde die Aufmerksamkeit der neuen Regierung durch den gewesenen Präfekten am vati­kanischen Archiv, Abbate Carlo Altieri1), gelenkt. Am l) Der fürstlichen Familie dieses Namens angehörend, war Altieri in den Benediktinerorden eingetreten und hatte sich humanistischen Studien zugewendet. Er wird als Mann von scharfem Verstand und vieler Gelehrsamkeit geschildert, dabei aber auch als höchst leicht­sinnig und verschwenderisch. In den folgenden Jahren erwarb er sich schätzbare Verdienste durch das Aufspüren der von den Fran­zosen während der letzten Kriege aus Österreich nach Paris ver­schleppten Kunstschätze. Hierfür bezog er auch eine Staatspension. Sodann stellte er sich in den Dienst der Polizeihofstelle und über­schwemmte diese mit zum Teil recht abenteuerlichen Berichten. Wegen seines immer weniger einwandfreien Lebenswandels —• er Archivfürsorge Österreichs in Italien. 37

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