K. K. Zentral-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale 6. (Wien, 1907)
Oswald Redlich: Das Archivwesen in Österreich
Das Archivwesen in Österreich. 9 der äußeren Schwierigkeiten kaum einen allgemeinen Erfolg erwarten lassen, wenn auch die Idee solcher eigener Gerichtsarchive in einzelnen Fällen doch höchst beachtenswert wäre. So könnte dies z. B. in Böhmen wohl der richtigste und beste Weg zur fachgemäßen Unterbringung und Verwaltung der wertvollen Bücher und Urkunden der Landtafel und der zahllosen Grundbücher werden^ da ja weder das Statthaltereiarchiv in Prag noch das böhmische Landesarchiv den Raum dafür besitzen1). Im ganzen wurde man freilich von selber auf den anderen Weg gedrängt, die bei den Gerichtsbehörden vorhandenen Archivalien womöglich an die schon bestehenden organisierten Archive des Staates oder der Länder abzugeben. Die Einführung der neuen Zivilprozeßordnung und der immer stärker drohende und drückende Raummangel gestaltete die Frage nach dem Schicksal der Gerichtsarchive geradezu brennend. Einen Augenblick drohte der Würgengel einer „fürchterlichen Musterung“, das heißt Skartierung. Allein die Beunruhigung der archivalischen und wissenschaftlichen Kreise, welche darob entstand* 2), veranlaßte das Justizministerium, sich im Jänner 1897 an den Archivrat um dessen Gutachten zu wenden. In eingehenden Beratungen wurden von einem Subkomitee und dann vom Plenum des Archivrates die Grundsätze festgelegt, welche bei der Ausscheidung von Gerichtsakten beobachtet werden sollen, eine förmliche Instruktion hiefür wurde ausgearbeitet und die Archive bezeichnet, an welche Gerichtsarchivalien unter bestimmten Modalitäten abgegeben werden können. Diese ganzen Vorschläge des Archivrates fanden dann in der neuen Geschäftsordnung vom 5. Mai 1897 für die Gerichte erster und zweiter Instanz verständnisvolle Berücksichtigung. Sie enthält ein*) Die Organisierung eines solchen Landtafel- und Gerichtsarchives in Böhmen mit einem geschulten Archivar wäre auch das sichere und zweckmäßige Mittel, um Mißbräuchen vorzubeugen, wie sie die Adelsfälscherprozesse der letzten Zeit ans Licht brachten. 2) Vgl. die Bemerkungen von M. Mayr in den Mitt. d. Archivsektion 4, 275, welche durch die obige Darstellung ergänzt werden.