Evangélikus Elemi Iskola, Budapest, 1880

Verkehrung der Wahrheit, vor der Lüge, bewahrt, welchen Dienst man dem Kinde selbst'er weist, indem man ihm dadurch für spätere Zeiten eine ehrenwerte Stellung in der menschlichen Gesellschaft liefert, so ist es wol begreiflich, wenn eine Angewöhnung und später Erziehung zur Wahrhaftigkeit mit vollstem Ernste gefordert wird. Wie hässlich ist es doch, wenn fremde Personen, und sei es auch der Lehrer, das Kind an einer Unwahrheit ertappt. Mit welch unbehaglichem Gefühl wenden sich selbst gut gesittete Kinder von einem solch ruinirten Kameraden ab. Und welche Konsequenzen zieht nicht die Lüge nach sich. „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht“, sagt das eine Sprichwort, und das andere: „Wer lügt, der stieldt, und wer stiehlt, der betrügt etc.“ Wie kann dem Lügen vorgebeugt werden? Das gute Beispiel muss auch hier in erster Linie betont werden. Eltern, Erzieher, überhaupt alle, welch’ immer Namen haben­den Vorgesetzte des Kindes, dürfen, und wäre es auch nur im Scherze oder um einer vorschnellen Frage aus dem Wege zu ge­hen, sich nie eine Unwahrheit erlauben. Heden und Thun muss stets wahr sein I Am meisten möge verhütet werden, dass man dem Kinde selbst einen Auftrag zum Sprechen der Unwahrheit gebe. Der Vater hat eine dringende Beschäftigung zu erledigen, die Mutter ist vielleicht nicht aufgelegt, Visiten zu empfangen, oder rüstet sich eilen zum Ausgehen, da wird dem Kindlein aufgetra­gen zu sagen: „Papa, Mama ist nicht zu Hause.“ Nicht wahr, eine „Kleinigkeit?“ und doch wie folgenschwer kann diese „Klei­nigkeit“ werden! Das Kind merkte, dass es mit dor Wahrheit nicht so genau zu nehmen sei, und ist nur erst der erste Schritt gethan, die andern folgen in erstaunender Schnelligkeit nach. Eine zu harte Behandlung des Kindes kann ebenfalls zur Quelle der Lüge werden. Das Kind hat etwas vorsätzlich oder von ungefähr angestellt; aus Furcht vor der Strafe wird nun zu irgend einer Ausflucht, zu einer Lüge die Zuflucht genommen, zu dem einen Fehler — dem des Vergehens nämlich — gesellt sich noch ein zweiter, abscheulicherer, die Schuld wird auf andere, Unschuldige, seien’s Dienstboten, Geschwister, Tante etc. geschoben und leider! kommt es wol auch vor, dass ein sothancs Gcbahren des Herzbröcklcin eine Deckung in der weichherzigen Mutter findet. Ferner sei man behutsam in der Beurtheilung Anderer. Wie oft werden diese B eurtheiluugen V e r urtheilungen der vielleicht eben zu Besuche gewesenen Personen. Denke man hiebei doch immer an das göttliche Gebot: „Du sollst kein falsches Zeuguiss reden wider deinen Nächsten !“ — „Gott hat je das Herz des Menschen aufrichtig gemacht!“ sagt der Prediger Salomo. Ist das Kind aber bei der Lüge ertappt worden, so erforsche den Grund derselben erst dann, wenn du über die ganze Sachlage genau informirt bist; wenn du die klarsten Beweise bereits in Händen hast, damit dem Kinde nicht Gelegenheit geboten werde seine Lüge, wol gar Frechheit auch an dir zu erproben. 2*

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