Evangélikus Elemi Iskola, Budapest, 1880
1« Heiligkeit und Härte, denn dadurch worden Sie Ihr Kind nioht bessern ; wenn die eine Leidenschaft der andern entgegentritt, greift oft Abneigung und Zorn im Kindesherzen um sich. Niemeyer sagt: Am allerwenigstnn setze man der Willensheftigkeit des Kindes seine eigene Leidenschaft entgegen, vielmehr lasse man die ruhigste Vernunft, nicht Schwäche und Nachgiebigkeit walten.“ Sind mehrere Kinder da, hüte man sich vor Parteilichkeit. Ist aber ein Kind wolgerathen, dann werde mit dem Lobe gespart; übermässiges Loben richtet entschieden mehr Schaden in der Kinderseele an, als selbst häufige verdiente Kügen anzurichten vermögen. Wir Lehrer haben gar oft Gelegenheit, uns von der Wahrheit dieses Ausspruches zu überzeugen. Lobt man ein Kind ein-, zweimal hintereinander, gibt man ihm bessere Monatszensuren: alsbald wird man eine Rückwirkung wahrnehmen, die gewiss nicht zu Gunsten des Kindes ausfallen wird. Aehnliche Erfahrungen werden Eltern, Erzieher gewiss auch gemacht haben, — Stellen Sie Ihr Kind nicht als ein Genie, als ein von Gott ganz besonders bevorzugtes Wesen hin, lassen Sie dein Kinde in dessen Anwesenheit schon gar nicht erfahren, was Sie von ihm halten. Ein Paedagoge stellt bezüglich des Lobes folgende Thesen auf; „Lobe selten, lobe kurz, mit wenigen Worten. Vergleiche selten, wenn du lobst, mit Andern, es verletzt, stiftet Murren und finstern Neid. Lobe mit Mass und eher unter als über Verdienst. Leite unbesonnenes Lob von Anderen in Gegenwart deiner Kinder unschädlich ab und schütze sie derart wie vor einer Unbill. Deine Mienen, dein Blick, dein ganzes Betragen sei mehr, als die Sprache deines Lobes — mehr braucht es nur selten.“ Auch das Tadeln muss seine Grenzen haben. Ewiges Kor- rigiren macht entweder missmuthig, gleichgültig oder es erzeugt Antipathie und Apathie. Es liegt doch in der Natur aller verständigen Wesen, dass man eher Anerkennung für seine Leistungen (und wären dieselben auch noch so gering,) einheimsen will, als stets nur beanständet, verbessert etc. zu werden. Alles zu seiner Zeit 1 Es wird durch den endlosen Tadel die sittliche Kraft geschwächt, das Kind muss unter solchen Verhältnissen ja selbst zu dem Schlüsse kommen: ich tauge nichts, ich bin zu nichts zu gebrauchen; es tritt eine Erstickung des Ehrgefühls ein, es ist, als ob die aufstrebenden Geistesflügel beschnitten würden; „aus der Anfangs alle Möglichkeit einer gesegneten, regelrechten Entwickelung in sich tragenden Pflanze wird ein vernachlässigter, verkrüppelter Baum, der gute Früchte wol schwerlich tragen wird.“ Ein nicht minder äusserst wichtiger Theil der Erziehung ist, die Kinder zur Aufrichtigkeit und zur Wahrheit zu gewöhnen. „Die Wahrheitsliebe ist die Grundlage aller Gewissenhaftigkeit und ist desshalb von ganz besonderem Werthe für die Erzieher, weil sie ihm den Zugang zu dem Innern des Zöglings verschaffen.“ Bedenke man doch, welch grosse Dienste man der Schule erweist, wenn man sein Kind vor der