Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1873
9 zum zweiten und wenn es ein längerer Satz ist auch zum dritten Male übersetzen. Dies ist nicht bloS deshalb erforderlich, damit sammtliche Schüler ge- nöthigt werden, während einer von ihnen übersetzt oder der Lehrer erklärt, mit Aufmerksamkeit zu folgen, weil sie erwarten müssen, daß sofort auch von ihnen Rechenschaft darüber gefordert werden wird, ob und in wie weit sie es gethan haben, sondern auch, weil jene erste Uebertragung in ihrer Wörtlichkeit den Ansprüchen, die man an eine deutsche Uebersetzung zu machen berechtigt ist, nicht genügt. Man vergesse niemals, daß unsere Schüler am Lateinischen zugleich deutsch lernen sollen. Deshalb halte der Lehrer darauf, daß nach jener ersten wörtlichen Uebersetzung, deren Ausgabe es war, den Beweis dafür zn liefern, in wie weit die Schüler bei ihrer Vorbereitung ihre Pflicht erfüllt haben, bei einer zweiten oder dritten auch den Forderungen des deutschen Sprachgeistes Rechnung getragen werde, daß nicht nur im Einzelnen der Ausdruck deutsch, sondern auch der Satz und Periodenbau dem Genius der Muttersprache angemessen sei. Zu diesem Zwecke gewöhne man den Schüler schon hier, aus der im Lateinischen vorherrschenden Subordination in die Coordination überzugehen. Dadurch wird ihm nicht nur die Gliederung längerer Perioden übersichtlicher, sondern es wird auch der Vernachlässigung des deutschen Styls am wirksamsten vorgebeugt. Freilich ist die Bildung coordinirter Sätze nicht überall rathsam, wo sie möglich ist. Bei allzuhäufiger Anwendung werden leicht dem Schüler die Umrisse der lateiniichen Periode verschwimmen, die Folge wird eine Unklarheit und Zerfahrenheit des Denkens sein, der vorzubeugen auf dieser Stufe jedenfalls wichtiger bleibt, als die Rücksicht auf Glätte und Abrundung des Styls. Gleichwohl wird jenes Verfahren in bestimmten Fällen zur Anwendung kommen müssen. So zunächst bei Hauptsätzen, welche durch relative Anknüpfung die Form von Nebensätzen erhalten haben und wo behufs leichterer Uebersicht und Gruppirung das Relativum mit dem Demonstrativum vertauscht werden kann. Unumgänglich ist diese Vertauschung in Sätzen wie folgender: quod dictum Aedui graviter ferebant neque recusandi aut deprecandi causa legátus ad Cacsarem mittere nudebant. Am häufigsten wird die Bildung coordinirter Sätze eintreten müssen bei der Auflösung von Partizipialconstruktionen. Schon in kürzeren Sätzen muß oft das participium conjunctum durch das verbum finitum aufgelöst werden, um nicht der deutschen Sprache Gewalt anzuthun, wie z B. in den Lätzen: singulas naves nostri consectati expugnaverunt oder primos, qui transierant, equitatu circumventos interfecerunt. Mitunter wird der Vorder- und Nachsatz durch einen Punkt völlig getrennt werden müssen, wenn der Satz in übersichtlicher Weise übersetzbar sein soll, wie dies z. B. der Fall ist lib. II. 25 und lib. III. 22. Die Partizipial-Constrnctionen verleihen der lateinischen Periode eine gewisse Einförmigkeit, welche der deutsche Styl dadurch vermeidet, daß er die