Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1873

26 von den kleinlichen Sorgen des Tages, welche sonst den freien Flug seines strebsamen Geistes hätten hemmen können. So war es ihm bisweilen vergönnt, nach anstrengender Arbeit sich zü erholen an jenen erlaubten Zerstreuungen des Studentenlebens, die neben mannigfacher Anregung dem Geiste die Frische und Spannkraft zu erhalten im Stande sind. Doch machte leider gerade der Um­stand, daß die Nebenbeschäftigung mit Privatunterricht ihm die einzige Mög­lichkeit zur Fortsetzung und Beendigung seiner Studien bot, seinen Lieblings­wunsch, eine Hochschule Deutschlands zu besuchen, unausführbar. Um so rühm­licher war es für ihn, daß er bei der fortwährenden Sorge und Mühe um den eigenen Lebensunterhalt sich in 31] 2 Jahren durch eifriges Studium gediegene und umfassende Kenntnisse erwarb, so daß er im Frühling des Jahres 1864, an Einsicht und Charakter zum Manne gereift, in seine Vaterstadt zurückkehrte. Seine Geistesfrische, vereint mit der Gabe anziehender Darstellung, seine ideale Anschauung, für die er mit jugendlichem Feuer erglühte, erwarben ihm bald Aller Herzen und wurden im Kreise der Freunde eine anregende, belebende Kraft. Bald nach Beginn des Schuljahres 1864J5 wurde er vom löblichen Presbyterium als Supplent ans Gymnasium berufen und nach der am 14. Oktober 1865 in Hermannstadt mit gutem Erfolge bestandenen Lehramts­prüfung als ordentlicher Gymnasiallehrer für Geographie und Geschichte de­finitiv angestellt. Im Juli des Jahres 1867 schloß er mit Fräulein Minna Glöckner, Tochter des verstorbenen Pfarrers von Treppen Mathias Glöckner, den Bund fürs Leben und begründete so ein Verhältniß, dessen Innigkeit den Segen einer glücklichen Ehe schuf und ihm die frohe Lust an der geistigen Arbeit sicherte. Den 4. November 1869 legte Kramer in Hermannstadt auch die theologische Prüfung ab, die er, durch Krankheit und Familienangelegen­heiten verhindert, hatte hinausschieben müssen. Im Schuljahre 1872|3 war Kramer bereits in Folge des häufigeu Lehrerwechsels dem Range nach der vierte Gymnasiallehrer, wurde den 19. Februar 1873 vom Hochlöblichen Landesconsistorium zum Lehramts-Prüfungscommissär für Geographie und Ge­schichte ernannt und am 2. März 1873 vom löblichen Presbyterium mit der Direction der hiesigen ev. Mädchenschule betraut. Durch diese Berufung erhielt die Mädchenschule einen tüchtigen Leiter, dem Gymnasium erwuchs aber ein nicht geringer Verlust; denn Kramers Lehrkraft wurde nun zwischen beide An­stalten getheilt, so daß er nur mit der Hälfte seiner wöchentlichen Lehrstunden am Gymnasium beschäftigt sein konnte. Doch kaum 5 Monate sollte Kramer in seinem neuen Wirkungskreise thätig sein. Mitten in seinen Entwürfen, die er zur innern Entwickelung und Organisation der Mädchenschule im künftigen Schuljahre durchzuführen sich vorgenommen und mitten in den schönen Hoffnungen, deren Verwirklichung er mit froher Zuversicht erwartete, trat plötzlich der böse, unheimliche Gast, die im vorigen Sommer mit unerbittlicher Gewalt in unserer Stadt herrschende Cholera, auch in Kramer's Haus, lieber der aufregenden Sorge sein ältestes Söhnchen, das zuerst von der Krankheit

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