Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1873

14 Daß die Casuslehre sowie das ganze in der Tertia durchgenommene Pensum der Syntax bei der Lektüre in Anwendung gebracht und daß, nament­lich mit Beginn des Schuljahres, aus viele noch nicht gelernte Regeln voraus­gegriffen werden müsse, versteht sich von selbst. Selbst nach einzelnen Formen, besonders nach seltenen Grundformen von Verben zu fragen, halte der Lehrer nicht für überflüßig, denn nur durch ein beständiges Zurückgreifen auf bereits Gelerntes wird der Besitz desselben gesichert. Repetitio est mater stúdiómra. Maa ß und Ziel für diese formellen Fragen und Erläuterungen ist be­stimmt durch die Erwägung, daß wir nicht Cäsar lesen, um lediglich an ihm die grammatischen Regeln zu exemplifieiren. Der so übersetzte, sprachlich und sachlich erklärte Abschnitt wird nun von den Schülern bis zur nächsten Stunde mentorirt und regelmäßig vom Lehrer abgehört. Dadurch gewinnt der Schüler eine Menge klassischer Konstruktionen, Phrasen und Ausdrücke, die ihm stets in mannigfacher Weise, namentlich, wie später zu zeigen, bei Anfertigung von Compositionen wesentlich zu Statten kommen. Was den Umfang der Lektüre betrifft, so hängt dieser natürlicher Weise zunächst ab von den mehr oder minder ausgedehnten Erklärungen des Lehrers und dann von dem jeweiligen Stand der Klasse. Doch als Grundsatz gilt sowie in allen Klassen auch hier: Weder eine rein statarische, noch eine rein kurso­rische Lektüre ist zuläßig. Ein eilfertiges Lesen ohne Rücksicht auf das, was zum Verständniß erklätt werden müßte, ist ebenso zwecklos, wie ein zu langsames, bei welchem der Schüler entweder ganz bekannte Dinge immer von neuem er­klären, oder Fragen, die für die Lektüre nicht von unmittelbarem Interesse sind, weitläufig erörtern hört. Anfangs muß langsam vorgegangen werden, weil der Schüler den Autor noch nicht kennt und fast in jedem Satze Stoff zu Erläuterungen sich findet. Später besonders im 2. Semester kann natürlich der Schritt immer rascher werden. Ich habe durchschnittlich im ersten Semester bis 40, im zweiten Se­mester bis 50 Kapitel gelesen. Im letzten Monate jedes Semesters wurde das ganze bis dahin übersetzte Pensum repetirt in der Weise, daß der Schüler neben der korrekten deutschen Uebersetzung Aufschluß geben mußte über Alles, was bei der ersten Uebersetzung Gegenstand der Erklärung gewesen war in sachlicher und sprachlich-stylistischer Beziehung, in Beziehung auf Inhalt, Zusammenhang, Persönlichkeit des Schrift­stellers u. s. w. Hiezu kam die später zu erwähnende mannigfache Verwerthung des gelesenen Textes bei dem grammatischen Unterricht und bei den Compo- sitionen, so daß der absolvirte Quartaner den gelesenen Abschnitt aus Cäsar nach Inhalt und Form völlig inne hatte. Um das Vorhergehende zusammenzufaßen, so ist kurz der Vorgang bei der Lektüre folgender: Mittelst genauer Präparation des Schülers wörtliche Ueber­setzung, eventuell zuerst Construktion des Satzes — Correktur des Lehrers —

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