Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1872

20 In kirchlicher Beziehung verlieh der Freibrief der deutschen Colonie daS Recht der freien Wahl ihrer Geistlichen, diesen selbst den Zehnten und die aus­schließliche geistliche Gerichtsbarkeit. Das Privilegium gab den Sachsen ferner: Freiheit von allen Abgaben, außer den in der Urkunde festgesetzten, zollfreien Handel durch das ganze König­reich, abgabenfreie Wochen- und Jahrmärkte, Befreiung von der Plage des Münzwechsels, unentgeltlichen Bezug des Kleinsalzes*) und gemeinschaftlichen steuerfreien Gebrauch der Waldungen und Gewässer, das heißt, das Recht der freien Beholzung, Jagd und Fischerei. Zu diesen Rechten legte der Freibrief den Sachsen aber auch bedeutende Pflichten auf. Als Reichssteuer hatten sie die Gesammtsumme von 500 Mark Silbers nach kölnischem Fuße oder 562$ Mark Hermannstädter Gewichts der königlichen Kammer zu entrichten. Den königlichen Einsammlern dieser jährlichen Abgabe hatten die Ansiedler ein Taggeld von 3 Loth Silber zu geben. Auch die Pflicht des Kriegsdienstes war im Freibrief genau festgesetzt. Fünfhundert ausgerüstete Krieger mußte die Hermannstädter Provinz stellen, wenn der Krieg im Innern des Reiches wüthete; hundert Mann, wenn der Krieg im Feindeslande geführt wurde und der König selbst das Heer befehligte; schickte er aber einen seiner Feldherrn, so hatten sie nur 50 Mann zu stellen. Die dritte im Frei­brief bestimmte Verpflichtung der Colonisten war die unentgeltliche Verpflegung und Bewirthung des Königs und des Woiwoden. Den König sollten sie, wenn er einen Feldzug durch das von den Sachsen bewohnte Land unternahm, drei Tage, den Woiwoden, wenn er im königlichen Aufträge kam, zwei Tage hin­durch bewirthen. II. Dieß sind die Grundzüge des andreanischen Freibriefs, dessen Urschrift aber bereits vor langer Zeit verloren gegangen ist. Schon im Jahre 1546 war sie nicht mehr vorhanden, denn sie fehlte in dem vom Hermannstädter Notär Christian Pomarius in diesem Jahre zusammengestellten Verzeichniß über die im siebenbürgisch-sächsischen Nationalarchiv vorhandenen Urkunden. Aber den Verlust des Originals ersetzten mehrere ungarische Könige und siebenbürgische Landesfürsten durch neue Urkunden, in welchen der andreanische Freibrief nicht nur bestättigt, sondern denen auch der ganze Inhalt desselben wörtlich einver­leibt wurde. Die erste Bestättigung desselben geschah im Jahre 1317 durch den König Carl Robert. Als die beiden Sachsen Blafunz und Henning im Namen der Gesammtheit der Sachsen vor dem Throne erschienen und um die Bestättigung des andreanischen Privilegiums baten, ließ der König, die Aecht- heit und Gültigkeit der von ihnen eingereichten Urkunde anerkennend, dieselbe *) Kleinsalz wurden alle kleinern, daS Gewicht der sogenannten Foimalsteine (bon SO Pfund) nicht erreichende Stücke und Abfälle des zu Tage geförderten Steinsalzes genannt.

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