Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1872
17 konnten, sprach in allen christlichen Ländern den Geistlichen die eigene Gerichtsbarkeit zu nnd gestattete ihnen vermöge des durch königliche Geschenke begründeten weltlichen Ansehens uud Vermögens auch einen großen Antheil und Einfluß auf die weltliche Rechtspflege. So wurden auch in Ungarn und Siebenbürgen durch das Dekret vom Jahre 1231 nicht nur die Führung aller Ehe- und Aussteuer-Prozesse den geistlichen Gerichten zugewiesen, sondern ihnen auch die Entscheidung aller Streitsachen weltlicher Personen, in soweit dieselben auf religiöse Handlungen Bezug hatten, eingeräumt. Sogar den rein weltlichen Gerichten wurde bei ihren Amtshandlungen ein Geistlicher zur Bestättigung des richterlichen Urtheils beigegeben und aus den königlichen Gerichtstagen, welche vorzüglich zur Entscheidung aller Klagen über Gewaltthätigkeiten und Freiheitsverletzungen bestimmt waren, sollten auch die Prälaten, die höchsten Würdenträger der Kirche, erscheinen. Mit diesen der Geistlichkeit gemachten Zugeständnissen waren die Laien anfangs höchst zufrieden, weil sie von den gebildeteren und in hohem Ansehen stehenden geistlichen Herrn weniger Partheilichkeit und Gewalt zu befürchten hatten, als von ihren weltlichen Adels-Richtern. In Bezug auf die Steuerfreiheit und Heeresfolge deS Adels enthielt das Dekret vom Jahre 1231 ebenfalls einige neuen Verfügungen. Durch die Bestimmung, daß der König nur von denjenigen Abgaben erheben könne, die dem königlichen Schatze wirklich steuerbar seien, wurde die bereits, int Jahre 1222 in der goldenen Bulle ausgesprochene Steuerfreiheit des Adels noch mehr bekräftigt und durch die Zurückstellung aller seit dem Jahre 1222 gewaltsam ihren Eigenthümern abgenommenen Güter sollten die Grollenden beruhigt und zufrieden gestellt werden. Zur Regelung der Heeresfolge wurde im Dekrete festgesetzt, daß zwar beim Einfalle des Feindes der gesammte Adel zur Vertheidigung des Reiches auf eigene Kosten in's Feld rücken müsse und den geschlagenen Feind über die Reichsgrenzen zu verfolgen schuldig sei, zur Heeresfolge in auswärtige Kriege aber nur die Obergespäne, die königlichen Beamten, die Reichsbarone, die Schloßmiliz*) und die Edelleute von großem Grundbesitz verpflichtet sein sollten. Statt des am Schlüße der goldenen Bulle eingeräumten, gefährlichen Rechtes des bewaffneten Widerstandes wurde in diesem Dekrete dem Erzbischof von Gran die Befugniß zugestanden, bei Verletzung dieses Reichsgesetzes den König oder seine Thronfolger mit dem Kirchenbanne zu belegen. Es war dieß zwar eine scheinbar gelindere Maßregel zur Einschränkung der königlichen Macht, aber die Ruhe des Staates wurde dadurch nicht minder gefährdet, als durch das Widerstandsrecht des Adels/ Denn schon im folgenden Jahre sprach der *) Unter Schloßmiliz (milites castri Jobbagiones castrenses) verstand man diejenigen Adligen, denen erblich oder zu lebenslänglichem Genüße der in der Nähe der königlichen Schlößer liegende Grundbesitz verliehen war, und die unter der Fahne des Comitates einen großen Theil der unter dem Befehle des Königs stehenden Kriegsmacht bildeten. 2