Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1872
16 sogenannten^Herkommen zuließ, wodurch der Bedrückung und Erpressung jeder Weg'offen stand, strebten die Gutsbesitzer die Rechtspflege im ausgedehntesten Umfange sich anzumaßen und jeden fremden Einfluß seruzuhalten. Die Kron- beamten wußten in der Folge sogar die Erblichkeit ihrer Aemter sich zu erschleichen. Ueber die vom Adel zu leistende Pflicht des Kriegsdienstes verordnete die goldene Vulle, daß bei einem feindlichen Einsalle in das Re ch der gesammte Adel verpflichtet sei, sich auf eigene Kosten zu bewaffnen und Kriegsdienste zu leisten. In einem Kriege, der außerhalb des Reichs geführt wurde, erhielt der Adel die Verpflegung auf Kosten des Königs. Wegen unterlaßener Heeressolge durste der niedere Adlige nicht zur Strafe gezogen werden. Eine Ausnahme hievon machten diejenigen, die eine eigene Fahne führten, also vermöge ihres größern Güterbesitzes die Anführer einer eigenen Kriegsschaar waren. Diese mußten dem Könige auch in ausländische Kriege folgen. Die Söhne eines im Kriege gefallenen Reichsbarons hatten Anspruch, für die Verdienste des Vaters belohnt zu werden. Den deutschen Ansiedlern (hospites) wurde in der goldenen Bulle der ungeschmälerte Genuß ihrer ursprünglichen Freiheiten gewährleistet. Doch durften sie nur mit Genehmigung der Stände zu höhern Reichswürden gelangen. Die Juden und Muhamedaner wurden von allen Aemtern beim Münz- und Salz-Wesen ausgeschloßen. Die Güter der Geistlichen wurden durch die Bulle mit denselben Freiheiten, wie die des Adels auSgestattet und die Zehnten der B.schöfe sollten nie durch Geld abgelöst werden. Den Schluß der goldenen Bulle bildete das den Reichsständen eingeräumte Recht des bewaffneten Widerstandes gegen den König, wenn er den Freibrief verletzen sollte. Dieses das Staatswohl gefährdende Recht, das in einem geordneten Staatswesen den Unterbauen nie eingeräumt werden darf, gab in oer Folge unter dem Scheine der Rechtmäßigkeit Veranlaßung zu vielen Unruhen und Aufständen und wurde deshalb aus dem Reichstage in Preßburg 1687, weil dessen allgemeine Schädlichkeit für die Wohlfahrt des Reiches anerkannt worden, feierlich abgeschafft. II. Als der König die Ausführung der in der goldenen Vulle gemachten Versprechungen immer hinausschob und nur theilweise in's Werk setzte, drang die Parthei des Thronerben Bela auf eine neue Bestättigung derselben, welche durch das Dekret vom Jahre 1231 erfolgte und die Freiheiten der Geistlichkeit und des Adels noch vermehrte. Besonders wurde darin dem Clerus die eigene Gerichtsbarkeit in bedeutendem Umfange gewährleistet. Der in jenen Zeiten allgemein anerkannte Grundsatz, daß Jedermann nur von seines Gleichen gerichtet werden solle und gottgeweihte Diener unmöglich den Laien untergeordnet sein