Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1872

14 konnte ihn weder der Spott der übrigen Anführer des Kreuzheeres, noch der Bannfluch des Patriarchen von Jerusalem mehr zurückhalten. Auf dem Heim­wege suchte er durch Verheirathuug seiner Söhne und Töchter an morgen­ländische Fürsten seine Hausmacht zu stärken und dadurch die Erfolglosigkeit des Kreuzzuges zu verschmerzen. Aber die unbedeutenden Vortheile dieser Ver­bindungen konnten den verunglückten Kreuzzug nicht ungeschehen machen und das Reich für die Opfer, die es an Geld und Leuten gebracht, nicht entschädigen. 4. Die goldene Bulle (1222). I. Als Andreas II. aus Palästina zurückkehrte, fand er im Reiche große Unordnung und Gesetzlosigkeit. Der zum Reichsverweser ernannte Erzbischof von Gran hatte nicht einmal die Geistlichkeit zum Gehorsam bringen können, viel weniger den mächtigen Adel. Er konnte es nicht verhindern, daß der Bischof von Waizen durch Festlichkeiten und Trinkgelage das Vermögen der Kirche vergeudete, die Domherrn, die ihm darüber Vorstellungen machten, durch seine Diener mißhandeln ließ und geistliche Pfründen an den Meistbiethenden verkaufte. So groß war damals die Rohheit der Sitten selbst unter der höhern Geistlichkeit. Der mächtige Adel herrschte auf den vom Könige erhaltenen Kron- gütern mit fürstlicher Gewalt und Willkühr. Die königlichen Beamten hatten sich der Schloßgüter bemächtigt und die Staatskassen beraubt. Die vom Könige mit der Verwaltung der Münze und der königlichen Einkünfte betrauten Juden erlaubten sich die schreiendsten Ungerechtigkeiten und Bedrückungen. Das Volk entzog sich seinen Verpflichtungen und erschlug die zur Einhebung bed Zehntens und der königlichen Abgaben eingesetzten Beamten. Es war eine Zeit innerer Zerrüttung; die königliche Macht zum Schattenbilde herabgesunken. Statt nun mit Kraft die Ordnung im Reiche herzustellen, war des Königs erste Sorge, seinen aus Galizien vertriebenen Sohn Koloman in sein Fürstenthum wieder einzusetzen. Für die Roth des eigenen Reiches hatte er nur Klagen, mit denen er sich an den Papst wandte, damit der allgewaltige Kirchenfürst durch geistliche Strafen das Reich wieder zur Ordnung führe. „Ich fand", schrieb der König, „unter Geistlichen und Weltlichen Untreue und Laster; im Lande innere Zer­rissenheit, den königlichen Schatz aller Einkünfte beraubt, so daß 15 Jahre nicht hinreichen werden, die frühern Verhältniße wieder herzustellen." Diese Schwäche und Thatlosigkeit des Königs brachte endlich unter einigen besser den­kenden Vaterlandsfreunden eine Vereinigung zu Stande, an deren Spitze der Thronfolger Dela stand. Diese fanden die Ursache der innern Zerrüttung und Gesetzlosigkeit, wie auch der Herabwürdigung der königlichen Macht darin, daß ganze Schlößer, königliche Güter und Abgaben an Geistliche und Adlige ver­liehen wurden. Sie verlangten den Widerruf aller dieser gesetzwidrigen Schen­kungen und die Wiedervereinigung derselben mit dem Reichsschatze. Zwar

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