Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1871

37 in III und IV nur noch die schwerem; aümälig müssen die Schüler lernen vom Blatte zu lesen. Richtiges, sinngemäßes Lesen ist der sicherste Gradmesser für das Ver- ' ständniß. Nur wo die Schüler falsch und sinnwidrig lesen ist durch Fragen dem mangelnden Verständnisse nachzuhelfen. Durch unnöthige Fragen wird der Stoff verwässert, die Kinder gelangweilt und die Aufmerksamkeit zerstreut. Von Stunde zu Stunde müssen die Schüler in I—IV einen Theil eines angemessenen guten Gedichtes, dessen Besitz für das Leben werthvoll ist, aus­wendig lernen, damit sie sowohl Gedanken als auch Ausdruck und Form der Gedanken sich aneignen; zugleich wird dadurch das Gedächtniß, diese leider nur allzu oft vernachläßigte Kraft der Seele in beständiger Uebung erhalten. Wenn ein Stück vorgelesen, wiederholt nachgelesen und soweit nöthig er­klärt worden ist, wird es von den Schülern aus dem Gedächtnisse nacherzählt. Wenn die Kinder zuerst fast wörtlich nacherzählen, so ist das ganz natürlich und richtig, weil sie eben die Sprache noch nicht genug beherrschen, um einen Ge­danken in anderer Form wieder zu geben. Allmählig geht das Kind von selbst zu freier und eigener Gestaltung des Gedankens über, sobald es die Kraft dazu in sich fühlt. Der Lehrer soll nicht ungeduldig mäckeln und Unbeholfenes aus­bessern, sondern nur Falsches berichtigen, sonst macht er das Kind im Sprechen schüchtern und verschließt ihm den Mund, eine Schüchternheit, die mancher me wieder los wird. Mit dem Wiedererzählen ist der Anfang zur Uebung der freien Rede ge­macht. . Redegewandtheit zu Wege bringen, wären die für das Deutsche aus­gesetzten Stunden allein nicht ausreichend, zumal in diesen auch noch schwierigere Stücke gelesen werden müssen. Die Redegewandtheit können und müssen auch andere Lehrstunden fördern helfen, vor allem die Geschichte. Diesem Unterrichte werde auf allen Stufen ein Lehrbuch zu Grunde gelegt, das für die ersten Stufen in leichter und anmuthiger Form ausführlich erzählt, für die obern eines, das den Stoff tiefer und wissenschaftlicher erfaßt. Auch die Bibelkunde ist der Redeübung dienstbar, wenn die Schüler die gelesenen Abschnitte wieder erzählen, den Inhalt zusammenfassend angeben. Geografie und Naturgeschichte, endlich die Mathematik, wofern die Schüler gewöhnt werden, an der Tafel schreibend und zeichnend zu demonstriren, tragen das Ihrige bei. — In V und VI wird ein Theil jeder deutschen Stunde dazu verwendet, zu Hause Gelesenes namentlich Historisches wieder zu erzählen; in VII und VIII gibt man den Schülern ein Buch (wie Herzog: Stoff zu stilistischen Hebungen in ausführlichen Dispositionen und kürzern Andeutungen, Braunschweig 8. Auflage 1864) in die Hand. Den gegebenen Stoff haben sie mündlich, aus dem Kopfe vor der Klasse, stehend auszuführen und das Skelett mit Fleisch zu bekleiden. Dadurch kommt den Schülern nicht nur Fertigkeit im Disponiren und Gruppiren der Gedanken, sondern ihre Gedanken werden auf viele Stoffe ge-

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