Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1871

36 Anlage II. Nachdem in dem Borangegangenen vorzugsweise die Ziele, das Was den einzelnen Unterrichtsfächern gestellt ist, bedarf es noch einiger Andeutungen über die Art, wie dieselben erreicht werden können. 1. Zur Methode des deutschen Unterrichtes. Vernachläßigung des Unterrichtes in der Muttersprache ist Verrath an der Nationalrtät, Pflege eine nationale Pflicht und Ehrensache. Das Sprechen an sich d. h. die Hervorbringung der Laute ist überaus wichtig. Abgesehen davon, daß allein schon die Eigenthümlichkeit der Aussprache die Landsmannschaft verräth und schöne klare Aussprache das erste und äußer­lichste Zeichen der Bildung ist, so hängt von deutlicher und scharfer Aussprache auch vorzugsweise die Rechtschreibung und grammatische Sicherheit ab. Die Kinder schreiben meist nur deshalb falsch, weil sie nicht an scharfes und klares Sprechen und Hören gewöhnt sind. Diese Ausgabe hat der deutsche Unterricht durch alle Klassen, weil sie eben Sache der Uebung und Gewohnheit ist, namentlich aber in den untern Klassen ist dies eine Hauptaufgabe, die nur durch Hören des Richtigen, also Vorlesen des Lehrers und wiederholtes Nachsprechen und Nachlesen des Schülers erreicht werden kann. Arm und klein wie sein Gedankenschatz ist auch des Kindes Sprachschatz. Ein Knabe von 9—10 Jahren kennt von seiner Muttersprache noch sehr wenig. Daher haben die untersten Klassen (I—IV) weiter die Aufgabe, des Kindes Sprachanschauung zu vermehren, das Gefühl der Analogie zu schärfen und so — dem Kinde unbewußt — die Fähigkeit des Sprachverständnisses und der Sprechübung zu entwickeln. Da die Sprache vom Gedachten untrennbar ist, jeder Gedankenkreis aber seine eigene Sprache hat, so muß der Gedanken- und Sprachstoff ein mannig­faltiger und bunter sein. Diese Sprachanschauung muß gewonnen werden aus einem Lesebuche, das angemessenen und vielseitigen Stoff enthält. Jede Klasse muß ein besonders entsprechend geordnetes Lesebuch haben. Dieses muß der Schüler in der Schule und zu Hause durchgelesen und seinen Inhalt zum guten Theil sich angeeignet haben. Von V—VIII treten an die Stelle des Lesebuches klassische Werke der Dichtung und Prosa. In der Klasse I und II wird jedes Stück zuerst vom Lehrer vorgelesen O

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