Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1871

32 tesius, Spinoza, Baco, Euler, Gauss u. A.); in der Botanik nnd Medicin ist noch heute das Lateiu vielfach in Verwendung; das Rechtsstudium beruht noch heute, Wohl oder übel, auf dem römischen Rechte; geschichtliche und diplo­matische Urkunden wurden bis zum Schlüße des vorigen Jahrhunderts meist lateinisch geschrieben, in unserm Staatsleben war das Lateinische bis vor wenigen Jahren im amtlichen Verkehr gebräuchlich u. s. w. Dazu kommt, daß die la­teinische Litteratur an sich werthvoll ist nnd endlich für die Schule, daß die überlieferte und ausgebildete lateinische Grammatik Muster geworden ist, für das Betreiben der übrigen Sprachen. Wenn das Lateinische weiter im Unter­richte in Zusammenhang gebracht wird (etymologisch und grammatisch) mit dem Französischen und Englischen,*) so führt die Schule damit zugleich ein in eines der großartigsten Gebiete der modernen Wissenschaften — die Sprach­vergleichung und Sprachgeschichte. Was heut nicht mehr Aufgabe des lateinischen Unterrichts ist und sein kann, ist: eine Fertigkeit im mündlichen und schriftlichen Gebrauche der lateinischen Sprache zu Wege zu bringen. Diese Fertigkeit wäre den allermeisten auch nicht einmal zu verwertheu möglich, also ein völlig todtes Kapital. Mithin sind alle lateinischen stylistischen Aufsätze und Sprechübungen entschieden zu beseitige», da sie ihren vernünftigen Zweck völlig verloren haben. Die dadurch im Unterrichte freiwerdende Zeit und die Arbeitskraft der Schüler ist durch andere Dinge, wie Aufsätze in der Muttersprache, viel besser auszunützen. Die Lateinschreiberei überhaupt und in den Schulen besonders verwarf bereits vor 50 Jahren Schleiermacher und wollte sie auf grammatische Hebungen eingeschränkt wissen. Sobald die grammatische Sicherheit, soweit sie znm Lesen und Verstehen der Sprache nöthig ist, erreicht sei, sollten die Hebungen ganz aufhören. Alle Sprech- und Schreibübungen können in den alten Sprachen keinen andern Zweck haben, als den, die Grammatik praktisch einzulernen und durch Repetition zu fixiren. Darnach sind die Sprechübungen aus mündliches lieber* setzen grammatischer Uebungsbeispiele zu beschränken. In Würtemberg ist die lateinische Stylistik aus den Gymnasien schon beseitigt und es steht diese wohl- thätige Verfügung auch anderwärts zu erwarten, seitdem bei Promotionen und Habilitationen an deutschen Universitäten der deutsche Zopf die deutsche Sprache für zuläßig zu finden huldreichst geruhte. Zweck des lateinischen Unterrichts i st also: 1. Grundbegriffe nnd Gewandtheit im. Auffassen grammatischer Verhältnisse 2. K e n n t n i ß d e r S p r a ch e bis zum Verständniß der bessern Litteraturwerke *) Die ungarische Sprache mit keiner europäischen als mit der türkischen Sprache ver­wandt, kann in diesem Sinne als Object nicht dienen.

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