Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1871

27 in der vaterländischen Geschichte, zweitens dadurch, daß in den ober» Klassen die Schüler mit den Grundzügen der StaatSverfassuug und den politischen Be­strebungen der Neuzeit bekannt gemacht werden und drittens weil nur die Unter­richtsgegenstände in den Schulen andauernde und gleichmäßige Pflege finden, für welche bei der Abgaugsprüfuug eine schriftliche Arbeit geliefert wird, daß fortan auch eine schriftliche Arbeit über einen Gegenstand aus der vaterländi­schen Geschichte bei der Maturitätsprüfung gefordert wird (lieber die Lehrweise des Geschichtsunterrichts siehe den Anhang). 0 4. Die Wurzeln des Menschen reichen tief in die Erde. Unbewußt saugt gleich der Pflanze der schlichte ungebildete Manu seine Nahrung aus dem Erd­boden. Was aber der Ungebildete unbewußt sieht und thut, das soll der Ge­bildete mit Bewußtsein sehen und thuu. Es ist des Menschen Bestimmung, daß er der Herr der Natur sei. Soll und will er sie aber beherrschen, so muß er sie und ihre Kräfte zunächst kennen, weiter sie beachten und endlich ihre Gesetze erkennen. Ohne dieses Erkennen beherrscht nicht er die Natur, sondern die Natur ihn; ohne Keuntniß und Beobachtung der Natur und der Geschöpfe bleibt er ein Fremdling in dieser herrlichen Gotteswelt. Zur Bildung gehört von diesen > Dingen in unserer Zeit zunächst die Geographie d. i. Keuntniß der Erdoberfläche im Allgemeinen, Europas und des Baterlandes im Besonderu. Die Oberflächeugestaltuug und die politische Eintheilung sind das Nächste und Nothwendigste, was in den besoudern geo­graphischen Stunden gelehrt wird; die Verbreitung und Keuntniß der wichtigsten Thiere und Pflanzen über die Erdoberfläche dürfte am zweckmäßigsten mit dem ersten geographischen Unterrichte verbunden werden. Wenigstens sollte man den geographischen und naturgeschichtlichen Unterricht in den untern Klassen immer in eine Hand legen, während in den oberen Klassen der geographische Unterricht dem Geschichtslehrer überwiesen wird. Das Kind des Landmanns wird durch das Lebell selbst mit der ihn um­gebenden Natur, der Thier- und Pflanzenwelt vertraut; das in der Stadt lebende Kind ist zunächst der Natur ziemlich fremd, liefe er die Hausthiere und die Pflanzen, welche auf den Tisch kommen geht schmachvoll genug — die Keuntniß vieler sogenannter Gebildeten nicht hinaus; die gewöhnlichsten ein­heimischen Feldblumen und Waldbäume sind ihnen nicht einmal dem Namen nach bekannt. Hat die Schule überhaupt die Aufgabe die Bildung des Hauses zu er­gänzen und künstlich und absichtlich die Kenntnisse und Erfahrungen zu geben, welche' das Leben nur zufällig, mangelhaft oder gar nicht gibt, so sollte der naturgeschichtliche Unterricht sich in der Stadt doch zunächst auch die Keuntniß der gewöhnlichsten einheimischen Thiere und Pflanzen angelegen sein lassen, zu ihrer Betrachtung auleiteu, durch die Vergleichung des Aehnlichen und Unter­scheidung des Unähnlichen auch formal bilden, sehen und beobachten lehren.

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