Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1871

26 dieser Staatsbau gekostet, welche Weisheit in den Staatseinrichtungen der Alt­vordern liegt, welches die Lebensbedingungen dieses Staates sind — werden solche Bürger bereit sein zn Opfern an Gut und Blut für diesen Staat? Findet nicht in solchen Menschen der Communismus und der Ultramontanismus seine Träger und Stützen? Ist es zufällig, daß gerade die grundbesitzenden Klassen von diesen Gesellschastskrankheitcn frei sind? Andererseits ist die Beschäftigung mit den allgemeinen staatlichen Verhältnissen etwas Erhebendes und Veredelndes. Hier gilt des Dichters Wort: Im kleinen Kreis verengert sich der Sinn, Es wächst der Mensch mit seinen höhern Zwecken. Lebendige, opferbereite Theilnahme am Staatsleben ziemt vor allen den Gebildeten, welchem Berufe sie auch angehören, ja auf diese lebendige Theil­nahme rechnet das moderne constitutionelle Staatsleben. Ohne diese ist es nicht möglich oder gefährlich. Das Wahlrecht in der Hand von Leuten, die kein Verständniß und keine Liebe zu dem bestehenden Staate haben „ist eine Fackel in der Hand des Blinden, sie leuchtet nicht, sie kann nur zünden und äschert Städte und Dörfer ein." Das ist der rechte und ächte Eonservatismus int Staatsleben, der aus dem Verständniß der Vergangenheit und Gegenwart entspringt, der ist frei von engherzigen Standes- und Sonderinteressen. Solche Bürger herauszu­bilden ist im wohlverstandenen Interesse des Staates und es hat dies der Staat in der Hand durch die Schulen. Aber dies ist bisher gerade in den Mittel-Schulen gröblich vernachlässigt lvorden. Indem man die Jugend gewöhnt alles Große und Edle in Rom und Griechenland zu suchen, macht man sie stumpf gegen das eigene Vaterland und den eigenen Staat, oder wenn sie als Männer am öffentlichen Leben theil- nehmen, glauben sie nach ihren, irgendwo in Rom oder Griechenland, in England oder Amerika ausgelesenen Idealen ihr Volk beglücken zu sollen, vergessend, daß die Staatsform ein Kleid ist, das jedes Volk sich nach seinem Leibe und seinen Mitteln zuschneiden und bereiten muß. Mochte die alte engherzige und selbstsüchtige Staatskunst ihre Rechnung dabei finden, daß die Gebildeten sich vom Staatsleben ferne hielten, so wird eine Regierung, die ehrlich das Staatswohl im Auge hat heut zu Tage nicht verkennen, daß der Staat so viele Stützen hat, als gebildete Männer voll vaterländischen Geistes, voll Verständniß für die Aufgaben des Staates und seine Lebensbedingungen, sich am öffentlichen Leben betheiligen. Jede wahrhaft conservative, wie jede wahrhaft liberale Anschauung wird hierin zusammentresfen. Wo sie es nicht thun, da haben sie nicht das Wohl des Ganzen int Auge, sondern Sonderbestrebungen, die dem Gemeinwohle schädlich oder gar entgegen sind. Unserer Ansicht ttach muß die Schule die vaterländische Gesinnung pflegen und die politische Bildung vorbereiten erstens durch einen gründlichen Unterricht

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