Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1871

22 1849 berief die preußische Regierung Abgeordnete der Gymnasien zur Reorganisation des höhern Schulwesens nach Berlin. Alle diese Reformbe­wegungen brachte in Deutschland die Reaction zum Stillstände, ja durch die nachfolgende politische Entwickelung wurde die Aufmerksamkeit abgelenkt und so gerieth jene Reformbewegung in Vergessenheit. (Wiese.) Daß die Gymnasien Deutschlands iveit entfernt sind, von dem alten Ver­trauen getragen zu werden, bezeugt, wie anfangs bemerkt, ein hoher Beamter der preußischen Unterrichtsverwaltung selbst. Dort ist die Lücke zum Theil aus­gefüllt durch die Realschulen und Realgymnasien, die ohne Griechisch mehr und mehr Anerkennung imb Verbreitung finden, weil sie umfangreichere und für das Leben werthvollere Kenntnisse dem Schüler mit ins Leben geben als die Gymnasien, ohne diesen an wissenschaftlicher Gründlichkeit im Mindesten nach­zustehen. Bei uns ist diese Lücke um so fühlbarer, als wir in weit ge­ringerer Kultur stehen. Wir sollten mehr darauf bedacht sein, für die Hebung der allgemeinen Bildung Sorge zu trage«, als wenigen und nummerisch äußerst gering vertretenen Bernfsclassen mit so großen Opfern vorbildende Schulen zu unterhalten. Im Laufe der Jahrhunderte verdunkelt sich oder schwindet in Folge be­ständiger Um- und Neubildungen das Bewußtsein, die Kenntniß und das Ver- ständniß der ursprünglichen Bedeutung aller Staatseinrichtungen, Sitten und Gebräuche. So ist's auch vielfach auf dem Gebiete der Schule ergangen, wenigstens der höhern, nur mit dem Unterschiede, daß auf andern Gebieten die Unkenntniß der ursprünglichen Bedeutung meist keinen wesentlichen Einfluß auf die Gegenwart übt, während das Wesen der Schule, ihre Aufgaben und Ziele unklar und verschwommen werden, sobald man die ursprüngliche Absicht, die bei ihrer Gründung obwaltete und die ihr Wesen noch heute ebenso bestimmt, wie am ersten Tage, ans den Augen läßt, da tritt ein, was Göthe vom Recht sagt: „Vernunft wird Unsinn, Recht wird Plage." Die Schule betrachtet sich als Selbstzweck, da sie doch aller Vernunft nach, nur Mittel zum Zwecke war, sein kann und sein sollte. Welches ist dieser Zweck? Diesen Zweck klar zu legen, ist um so mehr nöthig als sogenannte philosophische Theorien ihn verzerrt oder verdunkelt haben. Wie schon oben bemerkt ist, geschieht unter einfachen Verhältnissen die Bildung des Heranwachsenden Geschlechts durch die Eltern zum Bildungsstande der Eltern. Erst wo der Bildungsstoff eines Volkes sich, sei es in Folge innerer Ent­wickelung, sei es durch die äußern Einflüsse mehrt und vervielfacht, wo durch die Thejluug der Arbeit den Eltern Zeit und Fähigkeit schwindet, bedarf es be­sonderer Bildungsanstalten, muß das Bilden der Jugend von Berufsleuten berufsmäßig betrieben werden. So ergibt sich als die Aufgabe aller Schulen, somit auch der Gymnasien: den Eltern mitzuhelfen, daß das Heranwachsende Geschlecht' v * * Í2 I

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